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Aufnahmezusagen einhalten

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Die Internationale Liga für Menschenrechte teilt und unterstützt die Pressemitteilung der Neuen Richter*innenvereinigung.

Aufnahmezusagen einhalten

Auch die Bundesregierung muss sich an Recht und Ordnung halten

Das Gebaren der neuen Bundesregierung in Sachen Migration und Flüchtlingspolitik ist außenpolitisch blamabel und rechtsstaatlich besorgniserregend. Zudem machen sich die Regierungstragenden von CDU/CSU unglaubwürdig, wenn sie rechtliche Einschränkungen und repressive Maßnahmen mit der Formel von „Recht und Ordnung“ rechtfertigen, selbst aber offenbar nicht willens sind, sich an geltendes Recht und gerichtliche Entscheidungen zu halten.

Bereits die Reaktion von Innenminister Dobrindt auf den Gerichtsentscheid zu den Zurückweisungen Asylsuchender an den bundesdeutschen Grenzen zeugt von einem seltsamen Rechtsverständnis. Während sich die Fachwelt mit dem Berliner Verwaltungsgericht darüber einig ist, dass solche Zurückweisungen grundsätzlich nicht mit EU-Recht vereinbar sind, beruft er sich formaljuristisch auf einen Einzelfall und sieht keine Veranlassung, die Kontrollen einzustellen.

Nun erfolgt die Aussetzung der freiwilligen Aufnahmeprogramme für Afghanistan. Diese Programme vorzeitig zu beenden mag dem mehrheitsfähigen Willen der schwarz-roten Koalition entsprechen und damit demokratisch legitimiert sein. Angesichts der von deutscher Seite gemachten Versprechungen nach dem hastigen Abzug aus Afghanistan im Jahr 2021 ist die Art und Weise der Beendigung aber in jeder Hinsicht verantwortungslos. Rechtliche Verpflichtungen aus selbst erteilten Zusagen und gerichtliche Anordnungen wurden ignoriert, indem die Einreise der in Pakistan wartenden Menschen ausgesetzt und keine Visa mehr erteilt wurden um, so die offizielle Verlautbarung der Bundesregierung (hier Stand Ende Juli 2025), zu prüfen, wie die Beendigung der Programme umgesetzt wird.

Aussicht auf ein Visum in angemessener Zeit besteht gegenwärtig nur für diejenigen, die es schaffen, von Pakistan aus am Berliner Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Dabei müsste es für eine dem Rechtsstaat verpflichtete Regierung eine Selbstverständlichkeit sein (und das Mindeste an politischem Anstand), die Programme wenigstens regulär abzuschließen, also (freiwillig!) alles Erforderliche zu tun, um die bereits rechtsverbindlich erteilten Zusagen gegenüber den mehr als 2.000 in Pakistan aufhältigen Afghan*innen unverzüglich einlösen zu können. Stattdessen werden die Verfahren durch Untätigkeit verzögert und verschleppt. Kennzeichnend dafür ist etwa die Behauptung, dass alle Aufnahmezusagen stets unter dem Vorbehalt eines erfolgreichen Visumsverfahrens und etwaig sich im weiteren Verfahren ergebender Sicherheitsbedenken oder Erkenntnisse stünden und sich grundsätzlich „in jedem Stadium des Verfahrens Erkenntnisse ergeben (könnten), die zu einer Aufhebung der Aufnahmezusagen führen können“ (BT-Drs. 21/492 S. 4). Das OVG Berlin-Brandenburg hat demgegenüber bestätigt, was der Bundesregierung und ihren Behörden klar sein sollte: Bei den Aufnahmezusagen nach § 23 Abs. 2 AufenthG handelt es sich um verbindliche Verwaltungsakte, die lediglich unter einem Widerrufsvorbehalt stehen und sich keineswegs jederzeit wieder aus der Welt schaffen lassen. Von etwaigen Widerrufsvorbehalten Gebrauch zu machen, bedarf besonderer Gründe und eines gesonderten Verfahrens (Beschl. v. 26.08.2025, Az. 6 S 51/25).

Politische Appelle, Brandbriefe aus Afghanistan, gerichtliche Entscheidungen und Berichte über fortlaufende Festnahmen und Abschiebungen aus Pakistan vermögen nichts zu bewegen. Stattdessen wird berichtet (u.a. hier) von Fällen, in denen es wegen Nichtbefolgung gerichtlicher Anordnungen zu Zwangsgeldandrohungen kommen musste und das Auswärtige Amt, statt die Visa zu erteilen, sich hinter weiterem Prüfungsbedarf verschanzt und die Zusagen wieder aufhebt.

Dieses Gebaren erinnert an noch nicht lang zurückliegende Diskussionen über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Stadtverwaltungen und Landesregierungen, die sich weigerten, gegen sie ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu beachten und umzusetzen. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht – wie in den USA – einreißt und die gewählten Regierungen in Bund und Ländern der Verfassung und mit ihr der Bindung an Recht und Gesetz auch künftig Respekt zollen.

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