Internationale Liga für Menschenrechte

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Fünf Jahre Hanau: Keine Gerechtigkeit ohne Konsequenzen

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Die Internationale Liga für Menschenrechte gedenkt der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau, der sich am 19. Februar zum fünften Mal jährt. Der Rechtsextremist Tobias R. ermordete neun Menschen mit Migrationsgeschichte, bevor er seine Mutter und anschließend sich selbst erschoss. Obwohl bekannt ist, dass die staatlichen Behörden daran eine große Mitschuld trugen, wurden bis heute keine Konsequenzen gezogen. In Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus mahnt uns der Anschlag, dass im Kampf gegen Rassismus auf den deutschen Staat kein Verlass ist.

Obwohl der Täter den Behörden bereits als psychisch instabil und verhaltensauffällig bekannt war und sich im Internet sowie unmittelbar gegenüber der Generalbundesanwaltschaft offen gewaltbereit und rechtsextrem präsentiert hatte, blieb ein Entzug seiner waffenrechtlichen Erlaubnis aus. Die Untätigkeit des Landesverfassungsschutzes angesichts eines gewaltbereiten Rassisten im Besitz legaler Waffen, offenbarte wieder einmal, dass dieser auf dem rechten Auge blind ist. Zu Beginn vergangenen Jahres besaßen noch immer mehr als 1.000 den Behörden als rechtsextremistisch bekannten Personen und mehrere Hundert „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ eine waffenrechtliche Erlaubnis – ein Armutszeugnis für Faesers „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“. 

In der Tatnacht war der Polizei-Notruf drei Mal in Folge nicht erreichbar – mit tödlicher Folge für Vili-Viorel Păun, der dem Täter mit dem Auto gefolgt war. Der Notruf war mit nur einer Person besetzt und Polizist*innen hatten in derselben Nacht mehrfach den Notruf eigens blockiert, lediglich um Personendaten abzufragen. Auch der Polizeieinsatz selbst verlief vollkommen unkoordiniert und konnte infolge von Funkproblemen und Versagen bei der Überwachung des Täterhauses die Opfer nicht retten. Zudem waren 13 der in Hanau in eingesetzten SEK-Beamten in rechtsextremen Chats aktiv. Vieles deutet darauf hin, dass der Notausgang der Arena-Bar deshalb verschlossen war, weil Polizist*innen den Barbetreiber dazu aufgefordert hatten, um ihre zahlreichen Razzien zu erleichtern. Und nicht zuletzt ist der respektlose Umgang der Polizei mit den Angehörigen zu erwähnen: Erst 16 Stunden später und auf eigene Anfrage der Familie hin informierte die Polizei Familie Păun über den Tod ihres Sohnes und eine Sondereinheit der Polizei bedrohte Familie Kierpacz in der Tatnacht mit vorgehaltener Waffe.

Diese Kette des Versagens ist bereits skandalös. Umso schlimmer, dass von einer tatsächlichen Aufarbeitung in keiner Weise die Rede sein kann: Der Untersuchungsausschuss, der nur auf Druck der Angehörigen überhaupt zustande kam, schloss den Fall ohne ernsthafte Konsequenzen ab und die Ermittlungen wurden eingestellt.

Stattdessen wurden die Hauptverantwortlichen teils sogar befördert: Roland Ullmann, damaliger Polizeipräsident Südosthessen, wurde wenige Monate nach dem Attentat von Innenminister Peter Beuth zum Landespolizeipräsidenten ernannt. Polizeidirektor Jürgen Fehler, der ein Auslösen des Alarms für eine Großlage in den ersten drei entscheidenden Stunden nicht für nötig gehalten hatte, wurde Abteilungsleiter im Hessischen Polizeipräsidium Einsatz.

Fünf Jahre später haben die Angehörigen noch immer keine Gerechtigkeit erfahren und ihre Anträge zur Wiederaufnahme der Ermittlungsverfahren bleiben erfolglos. 

Gerade jetzt, wo der Rassismus in Deutschland wächst – angetrieben von einer rechten Diskursverschiebung in der Migrationsdebatte – ist konsequenter Antirassismus wichtig, um das Recht aller auf ein sicheres und diskriminierungsfreies Leben zu gewährleisten. Denn während sich Politiker*innen und Medien in ihren Forderungen nach Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen überschlagen, geht unter, dass rechte Gewalt gegen Migrant*innen und Angriffe auf Asylunterkünfte in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Doch Hanau zeigt: In diesem Kampf ist der Staat kein Verbündeter, sondern noch immer Teil des Problems.

Quellen:

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