Einleitung
Die humanitäre Krise ist ein zentrales Thema in der Diskussion um den Gaza-Krieg. Hunger ist oft eine Folge von Krieg, wird aber auch gezielt als Waffe eingesetzt, so wie wir es in Gaza sehen. Denn zu einem hat Israel die volle Kontrolle über die Grenzen Gazas und verweigert den Palästinensern die humanitäre Hilfe, welche sie so dringend brauchen aber auch sahen wir in den letzten Jahren Unmengen an gezielten Angriffen auf zentrale Infrastruktur und Selbstversorgungsmittel in Gaza. So zeigt sich, dass die katastrophale humanitäre Situation in Gaza kein bedauerlicher Nebeneffekt des Krieges ist, sondern ein gezielter Versuch, den palästinensischen Geist zu brechen.
Seit Jahren beobachten wir die geplante Zerstörung der Souveränität und Unabhängigkeit des palästinensischen Volkes durch die israelische Regierung. Indem Israel Gaza von externer Hilfe abhängig macht und gleichzeitig die lokale Selbsthilfe systematisch zerstört, wie durch die Zerstörung von Ackerland, hat Israel eine Falle geschaffen, in der die Palästinenser jeglicher politischen und wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit beraubt und von der Außenwelt abhängig sind.
Schon vor dem Beginn des Gaza-Krieges waren die Palästinenser zu einem großen Teil auf humanitäre Organisationen angewiesen, wie zum Beispiel die UNRWA. Seit dem Beginn des Gaza-Krieges wurde die Lieferung von humanitärer Hilfe, auf welche die Bewohner Gazas so angewiesen sind, entweder vollständig blockiert oder stark eingeschränkt. Folge dessen ist, dass die über 2,1 Millionen Bewohner Gazas mit einem akuten Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischer Versorgung und Strom konfrontiert sind und laut neuester Studie verstarben geschätzte 8,540 Palästinäner an diesen unmenschlichen Bedingungen.
Blockade
Einer der zentralen Aspekte, der zur Verschlechterung der humanitären Krise in Gaza beiträgt, ist die Blockade Gazas und die damit einhergehende Blockierung von humanitärer Hilfe. Die Blockade entstand im Jahr 1991, und ihr Ausmaß schwankte im Laufe der Jahre, doch sie wurde nie komplett aufgehoben. Im heutigen Gaza-Krieg ist sie hermetischer als je zuvor, insbesondere in der Zeit zwischen dem März und Mai 2025. Zwölf Wochen lang blockierte Israel das Eintreten jeglicher humanitären Hilfe und nur aufgrund von externem Druck der Weltgemeinschaft lockerten sie die Blockade wieder.
Selbst nachdem die Blockade teilweise gelockert wurde, blockiert Israel immer noch große Mengen der an der Grenze stationierten und bereitstehenden Lastwagen mit dringend benötigter Hilfe und lässt nur geringe Mengen an Hilfsgüter nach Gaza. Täglich werden weniger als 80 Lastwagen die Einreise erlaubt, obwohl die UN schon vor langem klar machte, dass über 500 nötig sind, um den Bedarf der Menschen in Gaza zu decken.
Verschlechternde humanitäre Situation
Durch die vollständige Blockade aller Hilfsgüter nach Gaza vom 2. März bis zum 19. Mai verschärfte sich die humanitäre Lage im Gazastreifen drastisch und ist Experten zufolge die verheerendste seit Kriegsbeginn. Der ganze Gazastreifen leidet unter einem generellen Nahrungsmangel, immer mehr Krankenhäuser sind aufgrund von Treibstoffmangel und Medikamentenknappheit nicht in der Lage angemessene Hilfe zu leisten und Experten warnen davor, dass Gaza auf eine extreme Hungersnot zusteuert.
Zwar wurde noch keine offizielle Hungersnot ausgerufen, jedoch leiden laut der UN drei Viertel der Bevölkerung Gazas unter „Notstand“ oder „katastrophalem“ Nahrungsmittelmangel, den beiden schlimmsten Stufen der fünfstufigen Skala der IPC für Ernährungsunsicherheit und Nährstoffmangel. Jeder Fünfte von ihnen ist von gravierendem Hunger bedroht.
Proaktive Rolle Israels
Premierminister Netanjahu behauptet, eine solche Eskalation nicht zulassen zu wollen, hat jedoch keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen, um eine Verschärfung der Lage zu verhindern. Gegenteilig hat er die Not in Gaza nur weiter vorangetrieben.
Obwohl es Beweise für ihre Beteiligung an der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza gibt, bestreiten Netanjahu und seine Kollegen die grundlegende Existenz einer Hungersnot in Gaza sowie eine israelische Mitschuld.
Im März versuchte man wieder ein Friedensabkommen einzufädeln, die Verhandlungen scheiterten jedoch daran, dass Israel die Bedingungen ändern wollte und Hamas die neuen Bedingungen nicht akzeptieren wollte. Darauffolgend stoppte Israel jegliche Hilfslieferungen in den Gazastreifen, um die Hamas zur Zustimmung zu zwingen. Dieses Vorgehen wurde weltweit stark kritisiert da es eine eklatante Gleichgültigkeit gegenüber dem Überleben der hungernden Palästinenser zeigte und die Lebensgrundlagen der Menschen als Verhandlungsmasse politisierte.
Gaza Humanitarian Foundation (GHF)
Im Mai fing die GHF, eine neue, von den USA und Israel unterstützte Hilfsorganisation an, in Gaza zu operieren. Gegründet wurde die GHF, um den mutmaßlichen Diebstahl von Hilfsgütern durch die Hamas zu bekämpfen. Wichtig ist, dass keine Beweise für nennenswerten Diebstahl von humanitärer Hilfe durch die Hamas vorliegen und dass es sich hier um eine Behauptung handelt, die fast ausschließlich von Israel verbreitet wird.
Schon bevor GHF anfing zu agieren, steckte sie schon tief in Kontroversen. So kündigte der ehemalige Geschäftsführende Direktor, Jake Wood, kurz bevor die GHF ihre Arbeit anfing. Als Grund gab er Sorgen über die Einhaltung der humanistischen Prinzipien an. Auch brachte der Vorsitzende Johnnie Moore Jr., ein evangelischer Prediger, der GHF Kritik wegen seiner engen Verbindungen zu mehreren Israelischen Lobbygruppen und seinen Beziehungen zu rechtsextremen Politikern wie Trump und Netanyahu. So half Moore Netanjahu die “evangelical alliance” zu koordinieren und arbeitete für Trump in seiner ersten Amtszeit und hält momentan einen Posten als Kommissar der Trump Regierung, welcher öffentlich den Plan äußert, die Palästinensern zu vertreiben und den Gazastreifen zu übernehmen.
Besonders wurden die GHF aber für ihre Kooperation mit den Israelischen Streitkräften (IDF) zum Schutz ihrer Standorte und die Einrichtung der Verteilungsstellen kritisiert. Zum einen bringen sie so Palästinenser in Gefahr, da diese so in der unmittelbaren Nähe der IDF kommen und zum anderen ist die Verteilungsmethode chaotisch und ermöglicht kriminellen Gruppierungen, Palästinenser auszuplündern. Besonders kritisch ist Israels Unterstützung der GHF in diesem Punkt, da Premierminister Netanyahu bestätigte, dass Israel diese kriminellen Gruppierungen mit Waffen unterstützt. Obwohl er es rechtfertigt mit der Behauptung, diese nur zur Destabilisierung der Hamas zu unterstützen, sind die Konsequenzen für die Zivilbevölkerung verheerend. Lastwagen werden beraubt, Hilfsgüter gestohlen und entweder erscheinen sie auf dem Schwarzmarkt wieder für ungeheure Preise oder verschwinden. So müssen die Menschen Gazas nun nicht nur in Angst vor Bomben und Hunger leben, sondern auch vor ihren eigenen Leuten.
Besonders weil ein UN-System existiert, die Hilfsgüter direkt an die bedürftigen Familien zu liefern, hatten viele eine negative Reaktion der GHF gegenüber. Wiederholt kritisierte die UN die GHF und bezeichnete die Organisation als „militarisiert, gefährlich und eine Verletzung der Neutralität von Hilfsorganisationen“.
Die Sorgen der UN erwiesen sich als berechtigt, denn innerhalb des ersten Monats in dem die GHF agierte wurden in der Nähe der GHF-Standorte über 600 Palästinenser getötet und 3.000 verletzt. Zudem erscheinen fast täglich Berichte über Schüsse der israelischen Streitkräfte in die Mengen hungriger Palästinenser. Israel sieht die Einsätze der GHF als großen Erfolg, und laut der GHF haben sie insgesamt 1.3 Millionen Boxen mit humanitärer Hilfe verteilt. Die UNRWA bezeichnet diese Mengen aber als „einen Tropfen im Ozean“ und wirft der GHF vor, „humanitäre Hilfe zu politisieren“.
Schluss
Zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung und Einhaltung der internationalen Gesetze ist die sofortige Beendigung der Blockade Gazas, den Einlass von den benötigten Mengen humanitärer Hilfe sowie ein langfristiger Waffenstillstand nötig. Auch muss die deutsche Regierung zur Verantwortung gezogen werden wegen ihrer kontinuierlichen Unterstützung Israels und die Mittäterschaft an dessen Kriegsverbrechen. Denn Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant Israels nach den USA und macht sich so mitverantwortlich für das Leiden in Gaza. In der Vergangenheit sprach sich Deutschland vermehrt für das Einhalten der Menschenrechte und deren Unverletzlichkeit aus, selbst im Kontext eines Krieges. Nun fordern wir, dass diese Worte auch in die Tat umgesetzt werden. Denn die Menschenrechte betreffen uns alle.
Tommy Märzenacker, Schülerpraktikant bei der Internationalen Liga für Menschenrechte