Internationale Liga für Menschenrechte

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Ursula Lehmann, Liga-Aktivistin für Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit und Freiheit – Zeit ihres Lebens unerschrocken, couragiert, immer in Bewegung

von Fanny-Michaela Reisin, ehemalige Präsidentin der Liga

Ursula Lehmann, Liga-Aktivistin für Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit und Freiheit (pdf)

lehmann_ursulaIn der Liga heißt sie „die rote Uschi“. Nicht etwa aufgrund einer revolutionären oder sonst wie gearteten linken Gesinnung. Als überparteiliche Vereinigung für Menschenrechte, Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, interessiert sich die Liga ohnehin nicht für die ideelle oder parteipolitische Selbstverortung ihrer Mitglieder. So haben wir auch nie erfahren, wo sich Uschi Lehmann politisch selbst verortet. Und doch wissen wir es sehr genau:

Die „rote Uschi“ ist immer bei den Schwächsten, die ungerecht behandelt und benachteiligt werden, bei den Ausgegrenzten und stets mit allen Unterdrückten – ganz gleich wo auf der Welt.

Ihren Esprit, ihren selbstironischen Humor und bisweilen bissigen Witz setzt sie in lautstarken Protest- sowie Abwehr- und Widerstandsaktionen ein. Nicht selten auch in selbst ausgedachten Einlagen. Etwa, wenn sie sich mit ihrem dicken Rollstuhl dem Regierenden Bürgermeister von Berlin in den Weg stellt, oder, wenn sie mit anderen Rollis – so bezeichnete sich in der Liga der Ausschuss körperlich behinderter Menschen – den Eingang zum Fernsehturm am Alex verbarrikadiert, um dagegen zu protestieren, dass das Panoramacafé nach wie vor nicht barrierefrei zugänglich ist.

Die Reihe der mehr oder weniger spektakulären Aktionen der roten Uschi – allein oder gemeinsam mit Anderen – ließe sich fortsetzen. Uschi selbst, von Kindesalter an im Rollstuhl und von einer künstlichen Luftröhre beim Atmen unterstützt, erinnert sich schon längst nicht mehr an alle. Sie war, und sie ist nach wie vor, immer in Bewegung. Gemeint ist nicht nur ihr Verständnis, dass „Mobilität Leben“ ist. Uschi ist von den Bewegungen der Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Eigenschaften, die als „Normabweichung“ oder gemeinhin „Behinderung“ stigmatisiert werden, nicht wegzudenken. Ihr beharrlicher Protest gegen die in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zuständigen „so genannten Nichtbehinderten“ – wie sie immer sagt –, die die gleichberechtigte Teilhabe an den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gütern als Gunst nur für die vermeintlich (leistungs-) starken „Norm(al)bürger_innen“ garantieren, wurde – keineswegs immer, aber doch immer wieder – von Erfolg gekrönt.

Ursula Lehmann

Warum sie „rote“ Uschi heißt?

Nun, in der Liga war es wohl diese immer rebellische und standhaft widerborstige Haltung, die Uschi eigen ist, vor allem aber die zur demonstrativen Verstärkung ihrer Einstellung unübersehbare rote, manchmal violett-rote Strähne in ihrem Haar, die uns zu diesem Kosenamen verleitete.

Die folgende taz-Reportage Zweierlei Leid vom 5. April 2016 wurde der Liga dankenswerterweise von dem Autor und der Tageszeitung zu Publikation erlassen. Portraitiert werden Kindheit und Jugend von Ursula Lehmann im Heim. Ihr vergangenes und gegenwärtiges Leben blieb bisher selbst den engen Mitstreiter_innen verborgen. Zugleich dokumentiert die Reportage unpathetisch und authentisch die Not, die Minderjährige und wohl auch Erwachsene erlitten, die der Obhut der Kirche überlassen wurden – unbeholfen, abhängig und ausgeliefert mussten sie Demütigungen, Willkür und Gewalt über sich ergehen lassen.

Unsäglich und doch wahr ist die Tatsache, dass Ursula Lehmann fast 70 Jahre nach den Gewalterfahrungen weiterhin darum kämpfen muss, dass die damaligen Straftaten geahndet, zumindest aber recherchiert und breit bekannt gemacht werden. Vor allem aber dafür, dass die Unterscheidung zwischen „behinderten“ und „nicht behinderten“ Opfern von Gewalttaten endlich aufhört.

In ihrer, beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eingereichten Petition, Pet 3–18–11–84–014637 zur „Entschädigung der Opfer von Gewalttaten“ schreibt Ursula Lehmann folglich:

„Der Runde Tisch ‘HEIMERZIEHUNG in den 50er und 60er Jahren‘ wurde vom Deutschen Bundestag auf Empfehlung des Petitionsausschusses eingerichtet.
Es wäre an der Zeit, sehr geehrte Politiker/-innen, dass mir die daraus resultierende Ungleichbehandlung (zwischen „behinderten“ und „nicht behinderten“ Opfern von Gewalttaten; FMR) erklärt wird.

Ich konnte mir nicht einmal die Hände schützend vor das Gesicht halten.

  • Bitte definieren Sie mir den hier angewandten Begriff: Zweierlei Leid.
  • Gibt es aufbereitetes Material, um nach den noch lebenden Täter/-innen zu suchen?
    Ich setze auf die Vertrauenspositionen der BMAS-Mitarbeiter/-innen, denen gegenüber ich diese Forderung äußerte.

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich die Regelung der Unterstützungsleistungen der Stiftung ‘Anerkennung und Hilfe‘ ablehne, bis die gesetzliche Gleichberechtigung hergestellt ist…“

Ursula Lehmann

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