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Sudan: RSF übernehmen vollständige Kontrolle über El Fasher – Internationale Liga für Menschenrechte fordert Konsequenzen für Deutschland, UAE und die RSF

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Am Sonntag, den 26. Oktober, haben die Rapid Support Forces (RSF) die Millionenstadt El Fasher in der Region Nord-Darfur vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. El Fasher, ein bedeutendes urbanes Zentrum im Westen des Sudans und das administrative wie wirtschaftliche Rückgrat der Region, war die letzte größere Stadt, die noch nicht vollständig von den RSF beherrscht wurde.

Mehr als 500 Tage – also über 16 Monate – war die Stadt bereits von den RSF belagert, begleitet von häufigem, teils täglichem Artillerie- und Drohnenbeschuss. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser war weitgehend abgeschnitten, wodurch Hunderttausende unter Unterernährung und Hungersnot litten. Bewohner:innen berichteten, sie hätten auf Tierfutter – lokal als „Umbaz“ bekannt – und andere nicht für den menschlichen Verzehr geeignete Mittel als Nahrungsquelle zurückgreifen müssen.

Das sudanesische Militär unter Abdel Fattah al-Burhan zog sich unversehrt aus der Stadt zurück und begründete den Rückzug am 27. Oktober damit, die verbliebene Bevölkerung vor weiteren Angriffen schützen zu wollen. Analysen zufolge hat die sudanesische Armee in mehreren Teilen des Westens ihre Präsenz stark reduziert und strategische Stellungen verloren – insbesondere in West-Kordofan und Teilen Darfurs.
Die RSF wiederum hatten sich zuvor Ende März nahezu vollständig aus Khartum zurückgezogen und konzentrieren ihre militärische Präsenz nun auf den Westen des Landes.

Der RSF-Anführer Mohammed Hamdan Dagalo („Hemedti“) stammt selbst aus Darfur. Historisch dominierte er bereits durch seine frühere Janjaweed-Miliz die Regionen Darfur und Kordofan. Zusammen mit dem damaligen Präsidenten Omar al-Bashir, der seit 2008 vom IStGH wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird, war Hemedti maßgeblich an den ethnisch motivierten Gräueltaten und Massakern an den schwarzafrikanischen Bevölkerungsgruppen der Fur, Masalit und Zaghawa in West-Darfur ab 2003 beteiligt.

Seit der vollständigen Übernahme von El Fasher werden den RSF zahlreiche Massaker und Menschenrechtsverletzungen an Zivilist:innen vorgeworfen. Kämpfer filmten und verbreiteten ihre Taten offen in sozialen Medien. Human Rights Watch bestätigt die Echtheit dieser Aufnahmen. Nach Schätzungen von UN-Organisationen wie UNICEF und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) befanden sich bis vor kurzem noch rund 250.000 bis 260.000 Menschen, etwa die Hälfte davon Kinder, in El Fasher. Mehr als 26.000 Menschen konnten am Sonntag und Montag nach der Einnahme der Stadt durch die RSF fliehen, zumeist in Richtung Tawila. Diese Zahlen können jedoch nicht unabhängig verifiziert werden und verändern sich fortlaufend aufgrund der dynamischen Lage und eingeschränkten Kommunikationswegen.

Auch in der Stadt Bara (Nord-Kordofan) kam es zeitgleich zu schweren Angriffen der RSF. Aufgrund eines nahezu vollständigen Medien- und Kommunikations-Blackouts in Bara ist die Informationslage äußerst unsicher; nach Berichten aus der Region beschlagnahmten RSF-Kräfte Mobiltelefone und blockierten den Zugang zu Internet und Telefonnetz.


Hintergrund

Der Krieg im Sudan tobt seit April 2023 und wird von internationalen Organisationen als größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart bezeichnet. Häufig wird er fälschlicherweise als Bürgerkrieg beschrieben, obwohl keine zivilen Akteure aktiv an den Kämpfen beteiligt sind. Es gibt zudem keine nennenswerte Unterstützung aus der Zivilgesellschaft für eines der beiden Lager; die Bevölkerung ist in diesem Konflikt vor allem Opfer, nicht Akteur.

Tatsächlich ist dieser Krieg eng mit internationalen Akteuren und ihren Interessen verflochten. Die RSF – Partner der EU-Afrika-Migrations- und Sicherheitspolitik – werden wirtschaftlich, politisch, militärisch und logistisch stark durch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterstützt. Hemedti kontrolliert die Mehrheit der Goldförderung in Darfur und Kordofan, die als zentrale Finanzierungsquelle der RSF dient. Das Rohgold wird über Schmuggelrouten in die VAE exportiert, dort offiziell importiert und raffiniert – wodurch Dubais Rolle als globales Zentrum des Geldmarktes gefestigt wird. Anschließend gelangt es über Handelswege vor allem in die Schweiz, nach Großbritannien, aber auch nach Indien, China und in die Türkei. Teile der Erlöse fließen über Frontfirmen, Bargeldtransfers und Devisenkanäle zurück an die RSF.

Zudem ist Deutschland einer der wichtigsten Handelspartner weltweit und innerhalb der EU der bedeutendste Partner der Vereinigten Arabischen Emirate. Frankreich ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der VAE; nach Russland und China liegt Deutschland an fünfter Stelle, gefolgt von Großbritannien und Italien. Die deutschen G3-Sturmgewehre gelten seit Jahrzehnten als Standardwaffe der RSF, und auch neuere G36-Modelle befinden sich im Einsatz – meist als Lizenzfertigungen oder über Re-Exporte, insbesondere aus den VAE.


Aufruf

Aus diesem Grund fordern wir, die Internationale Liga für Menschenrechte, 

  • die deutsche Bundesregierung dazu auf, ihre engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kritisch zu überprüfen und zu beenden, solange die Emirate die RSF weiterhin wirtschaftlich, politisch, militärisch, logistisch oder finanziell unterstützen. 
  • Sie muss ihren Einfluss auf die VAE wirksam machen und über diplomatische Wege auf ein Ende der Unterstützung der RSF hinwirken. 
  • Die Bundesregierung ist nach ihren völkerrechtlichen, europäischen und OECD-Verpflichtungen dazu angehalten, die vollständige Umsetzung der UN- und EU-Waffenembargos durch alle Mitgliedstaaten – inklusive der Bundesregierung selbst –  sicherzustellen und zugleich den Re-Export sowie die Weitergabe deutscher Rüstungsgüter deutlich strenger und systematischer zu überwachen.

Desweiteren fordern wir die Rapid Support Forces (RSF) 

  • mit Nachdruck dazu auf, alle Angriffe auf Zivilist:innen und zivile Infrastruktur unverzüglich einzustellen und humanitären Organisationen freien und sicheren Zugang zur Stadt El Fasher zu gewähren. 
  • Zudem müssen die RSF sichere Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung einrichten, um Menschen, die vor der Gewalt fliehen, den Schutz ihres Lebens zu gewährleisten. 

Ebenso rufen wir die Zivilgesellschaft dazu auf, 

sich intensiv mit der Lage im Sudan auseinanderzusetzen und das Bewusstsein in Deutschland dafür zu stärken, um den politischen und gesellschaftlichen Druck auf nationaler wie internationaler Ebene gegenüber allen beteiligten Akteuren zu erhöhen. 

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