Sechs Jahrzehnte nach dem KPD-Verbot fordern Bürgerrechtler die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der frühen Bundesrepublik sowie Rehabilitierung und Entschädigung der hiervon Betroffenen
Am 17. August 1956 ist die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten und enteignet worden; damit wurden die Partei, ihre Funktionäre, Mitglieder, teilweise auch ihre Bündnispartner in die Illegalität getrieben. Gegen etwa 200.000 Menschen sind in den beiden ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Strafermittlungen eingeleitet worden, in aller Regel für gewaltfreie politische Oppositionsarbeit und linksorientierte Meinungsäußerungen. Bis zu zehntausend wurden zu Gefängnis- oder Zuchthausstrafen verurteilt – nicht selten von ehemaligen NS-Richtern, die in der jungen Bundesrepublik wieder in Amt und Würden gelangten, und nicht selten fanden sich auf der Anklagebank diesselben Justizopfer, die als Nazigegner bereits in der NS-Zeit verfolgt und verurteilt worden waren.
Die Betroffenen der 17jährigen Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik (1950-1968) sind bis heute weder rehabilitiert noch entschädigt worden. Das umstrittene KPD-Verbotsurteil legitimierte seinerzeit diese Verfolgungspraxis und besteht als antikommunistisches Relikt aus der Eiszeit des Kalten Krieges bis heute fort.
Der Bremer Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte, fordert nach der kürzlich erfolgten Freigabe der KPD-Verfahrensakten des Bundesverfassungsgerichts durch das Bundesarchiv im Gespräch mit dpa, „Frankfurter Rundschau“ und „Hannoverscher Allgemeinen“ eine umgehende offizielle und kritische Aufarbeitung der Kommunistenverfolgung in der frühen Bundesrepublik sowie der Genese des KPD-Verbotsverfahrens – denn das Bundesverfassungsgericht soll nach Erkenntnissen des Freiburger Historikers Josef Foschepoth gerade mit diesem Verfahren unter massivem politischen Druck der damaligen Bundesregierung gestanden haben, so dass Zweifel an der Unabhängigkeit bestehen. Außerdem fordern Gössner und weitere Bürgerrechtler eine Rehabilitierung der Tausenden vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges im Westen, soweit im Wesentlichen gewaltlose linksoppositionelle Tätigkeit und politische Meinungsäußerungen zu Verfolgung und Verurteilung geführt hatten.
Artikelauswahl
Frankfurter Rundschau 14.08.2016 |
Hannoversche Allgemeine 15.08.2016 |
Rheinpfalz 17.08.2016 |
Vergessene West-Opfer des Kalten Krieges
60 Jahre nach dem KPD-Verbot fordern Menschenrechtler erneut eine Rehabilitierung verfolgter Linker. Die Bundesregierung bleibt abweisend. Von Eckhart Stengel
http://www.fr-online.de/politik/verfolgte-linke-rehabilitierung-fuer-linke-gefordert,1472596,34624290.html
Junge Welt 17.08.2016
Verändern verboten
Vor 60 Jahren: Illegalisierung der KPD. Altnazis und Imperialisten schaffen sich eine Waffe gegen gesellschaftlichen Fortschritt – bis heute. Von Sebastian Carlens
https://www.jungewelt.de/2016/08-17/001.php
Sächsische Zeitung 15.08.2016
Als die KPD verboten wurde
Vor 60 Jahren wurde die Partei für verfassungswidrig erklärt. Was heißt das für das Verfahren gegen die NPD? Von Anja Semmelroch
http://www.sz-online.de/nachrichten/als-die-kpd-verboten-wurde-3467652.html
Rhein-Neckar-Zeitung 15.08.2016
60 Jahre KPD-Verbot – Urteil ist schwieriges Erbe fürs NPD-Verfahren
1956 hat das Verfassungsgericht zum letzten Mal eine Partei verboten. Im Verfahren gegen die rechtsextreme NPD ist das KPD-Urteil damit Ausgangspunkt und Grundlage. Das birgt politischen Sprengstoff. Von Anja Semmelroch
http://www.rnz.de/politik/hintergrund_artikel,-60-Jahre-KPD-Verbot-Urteil-ist-schwieriges-Erbe-fuers-NPD-Verfahren-_arid,214453.html#null
dpa 13.08.2016
Hoffnung auf Aufarbeitung des KPD-Verbots – Bundesarchiv gibt Akten frei
VVN-BdA / Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – Landesvereinigung NRW
Das Urteil gegen die KPD ist ein Urteil gegen alle Linken
Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, erklärt zum 60. Jahrestag des KPD-Verbots http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/1661_kpd.htm
Literaturhinweis
Rolf Gössner: Die vergessenen Justizopfer des Kalten Kriegs
Verdrängung im Westen – Abrechnung mit dem Osten?
Aufbau-Verlag, Berlin 1998