Internationale Liga für Menschenrechte

Internetpräsenz der Internationalen Liga für Menschenrechte

Wahlprüfsteine für die Bundestagswahl 2013 „Racial/Ethnic Profiling“

logoBUG                                                                    LIGA_logo_150px_ohneCvO 

Wahlprüfsteine für die Bundestagswahl 2013

„Racial/Ethnic Profiling“

Downlaod: PDF | doc

„Racial/Ethnic Profiling“ beschreibt die polizeiliche Praxis verdachtsunabhängiger Identitätskontrollen und Durchsuchungen mit Hilfe von Profilen, die auf Merkmalen wie Hautfarbe, nationale oder ethnische Herkunft, Sprache, kultureller und religiöser Hintergrund, u. a. beruhen. Raster bzw. Profile, die  anhand dieser Merkmale Personen kategorisieren, werden durch mehrere internationale Rechtsnormen als rassistische Diskriminierung geächtet.

In der Bundesregierung wird ‚Racial Profiling’ – so die Antwort der Bundesregierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage im Jahre 2011 (Drucksache 17/6778) – nicht praktiziert:

„Eine unterschiedliche Behandlung von Personen in Abhängigkeit von Rasse, Herkunft oder Religion ist im Bundespolizeigesetz sowie den weiteren für die Bundespolizei geltenden Vorschriften und Erlassen schon deshalb nicht enthalten, weil solche Methoden unvereinbar mit dem Verständnis von Polizeiarbeit in einem demokratischen Rechtsstaat sind.“

Die Alltagspraxis der Polizei sieht indes anders aus. Zur Abwehr unerlaubter Einreisen in das Bundesgebiet ist die Bundespolizei etwa durch das Bundespolizeigesetz §§22 und 23, ermächtigt, verdachtsunabhängige Kontrollen auf Flughäfen, Bahnhöfen, in Zügen und im Grenzgebiet (bis zu einer Tiefe von 30 km) durchzuführen. „Racial/Ethnic Profiling“ scheint  der Praxis der verdachtsunabhängigen Personenkontrollen inhärent zu sein. Der Schengen-Kodex verpflichtet die Bundesrepublik in Artikel 6 Absatz 2 Personenkontrollen nach Grundsätzen der Gleichbehandlung durchzuführen [1].

Im Dezember 2010 wurde ein deutscher Staatsangehöriger auf der Strecke Koblenz – Frankfurt/M. im Rahmen einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle von der Bundespolizei aufgefordert, sich auszuweisen. Jener hatte bereits zuvor mehrfach miterlebt, wie Schwarze bzw. People of Color grundlos kontrolliert wurden, während andere Fahrgäste sich nicht ausweisen mussten und war auch selber solchen Kontrollen schon ausgesetzt. Er weigerte sich, seine Papiere vorzuzeigen, wurde vom Polizeibeamten durchsucht und schließlich abgeführt. Der junge Mann klagte vor dem Koblenzer Amtsgericht. In der erstinstanzlichen Verhandlung räumte der kontrollierende Polizeibeamte ein, den Kläger aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert  zu haben. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte unzweifelhaft fest, dass diese polizeiliche Maßnahme gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verstößt und daher rechtswidrig ist.

Damit ist allerdings die Praxis des „Racial Profiling“ in der Bundesrepublik nicht aus der Welt geräumt. Aus der Sicht zivilgesellschaftlicher Organisationen bedarf die bestehende Rechtslage einer Klärung.

Die Internationale Liga für Menschenrechte e. V. (ILMR) ist eine unabhängige und gemeinnützige Nichtregierungsorganisation (NRO). Sie setzt sich für die Verwirklichung und Erweiterung der Menschenrechte ein.

Die Liga kooperiert mit 164 Schwesterligen aus über 50 Nationen in der FIDH (Paris) und hat Beratungsstatus bei den Vereinten Nationen. Im Jahre 2012 unterstützte die Liga eine Petition der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V. (ISD) zu „Racial Profiling“.

 

Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) ist ein gemeinnütziger Verein, der Menschen unterstützt, die diskriminiert wurden und sich entschieden haben eine AGG Klage zu führen. Das BUG hat den jungen Mann bei seiner Verhandlung wegen „Racial Profiling“ beim Oberverwaltungsgericht in Koblenz in 2012 unterstützt. Außerdem hat das BUG gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. (ISD) eine Petition zum Thema beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages im November 2012 eingereicht.

 

Unsere zentralen Forderungen sind:

  1. Die Erhöhung der Einstellungsquote von Polizeibeamt_inn_en mit Migrations- oder Minderheitenhintergrund
  1. Antirassismus-Training als integraler Bestandteil der Polizeiausbildung für alle Angehörigen der Polizei
  1. Aufbau und Einrichtung von parlamentarisch mandatierten Beschwerdestellen, die Fälle von Fehlverhalten von PolizistInnen dokumentieren, analysieren und ggf. sanktionieren. Dies schließt Beschwerden wegen „Racial Profiling“ ein.  Gleichermaßen gilt es eine gesetzliche  Rechenschaftspflicht von PolizeibeamtInnen gegenüber Betroffenen und der demokratischen Öffentlichkeit einzuführen

 

LIGA und BUG bitten die zur Bundestagswahl kandidierenden Parteien, die nachfolgenden Fragen zu beantworten. Ihre Rückmeldung werden wir auf der Webseite der beiden Organisationen veröffentlichen.

 

Fragen:

  1. Sehen Sie als Partei Bedarf an einer Änderung oder Spezifizierung des Bundespolizeigesetzes, um möglichem ’Racial Profiling’ vorzubauen?

Wenn ja, wie beabsichtigen Sie diesbezüglich vorzugehen?

  1. Befürworten Sie die Erweiterung  des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), um einen Schutz vor Diskriminierung durch staatliche Akteure zu gewährleisten?
  1. Unterstützen Sie den Aufbau einer demokratisch legitimierten, unabhängigen Beschwerdestruktur, um rassistisches Polizeihandeln zu untersuchen und ggf. ahnden und sanktionieren zu können?
  1. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um Polizeibeamte für mögliches „Racial Profiling“ zu sensibilisieren und diesem vorzubeugen?
  1. Welche Maßnahmen erwägen Sie, um eine bundesweit einheitliche Umsetzung der Menschenrechte in der Polizeiarbeit zu garantieren?

 

Wir bedanken uns recht herzlich für Ihre Antworten. Die Internationale Liga für Menschenrechte und das BUG werden alle zum 5. August 2013 eingegangenen Antworten in vollem Umfang auf ihren Webseiten zugänglich und aktiv auf diese aufmerksam machen.

 

Datum: 05.07.2013

 
[1] Schengen-Kodex, Artikel 6, Absatz (2): Bei der Durchführung der Grenzübertrittkontrollen dürfen die Grenzschutzbeamten Personen nicht aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung diskriminieren.
 

Kontakt:

BUG e.V.
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin
E-mail: info@bug-ev.org
Tel. 030 688 366 18

Liga
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin
E-mail: vorstand@ilmr.de
Tel.: 030 396 21 22
Mon. 15:00 bis 19:00 Uhr
Mit. 13:00 bis 15:00 Uhr

————————————————————–

ANTWORTEN DER PARTEIEN:

 

• Antwort BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
• Antwort Judith Skudelny FDP
• Antwort Die LINKE
• Antwort SPD
• Antwort Michaela Kolbe MdB (SPD)
• Antrag Dunkelfeldforschung von Michaela Kolbe MdB (SPD)