Internationale Liga für Menschenrechte

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Freiheit für Viasna!

Als Mitglied der weltweit agierenden FIDH (Fédération Internationale des Droits Humains) unterstützt die Internationale Liga für Menschenrechte die Forderung nach unverzüglicher Freilassung von Viasna-Mitgliedern und anderen belarussischen Verteidigerinnen und Verteidigern der Menschenrechte.

Am 14. Januar 2022 ist es sechs Monate her, dass der Viasna-Vorsitzende Ales Bialiatski, der stellvertretende Vorsitzende Valiantsin Stefanovich und der Rechtsanwalt Uladzimir Labkovich verhaftet wurden. Seit diesem Tag befinden sich die drei Viasna-Aktivisten in Haft, und die Minsker Büros von Viasna sind versiegelt. Insgesamt sitzen derzeit sieben Mitarbeitende von Viasna wegen ihrer legitimen Menschenrechtsarbeit hinter Gittern.

Die internationale Gemeinschaft muss weiterhin Druck auf den belarussischen Staat ausüben, damit

  • er als Vertragspartei des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte seinen Menschenrechtsverpflichtungen in vollem Umfang nachkommt.
  • er die Arbeit von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern in vollem Umfang respektiert und schützt.
  • Marfa Rabkova, Andrei Chepyuk, Tatsyana Lasitsa, Leanid Sudalenka, Ales Bialatski, Valiantsin Stefanovich und Uladzimir Labkovich im Einklang mit diesen Verpflichtungen unverzüglich und bedingungslos freigelassen, die Anklagen gegen sie und andere Angestellte und Ehrenamtliche von Viasna fallen gelassen und ihr Anspruch auf Rechtsbehelf gewährleistet werden.

Die Mitglieder von Viasna sind wegen „Organisation und Finanzierung von Gruppenaktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen“ (Artikel 342 Teil 1 und 2) und „Steuerhinterziehung“ (Artikel 243 Teil 2 des Strafgesetzbuchs) angeklagt. Die Behörden behaupten insbesondere, dass Viasna es versäumt hat, ihre Organisation offiziell zu registrieren und sich so ihrer Steuerpflicht entzogen hat. 2003 haben die Behörden die Organisation aus dem Register gestrichen, und trotz zahlreicher Versuche, sich erneut registrieren zu lassen, sah sich Viasna gezwungen, seine Arbeit ohne offizielle Registrierung fortzusetzen.

Es ist nicht bekannt, in welchem Stadium sich die Ermittlungen befinden und ob Maßnahmen ergriffen werden: Die Anwälte unterliegen der Schweigepflicht, sie dürfen nicht einmal den Angehörigen Mitteilungen machen. Die Gefangenen können sich nicht schriftlich zu ihrem Fall äußern, da die Zensur Briefpost nicht herauslässt.

Im Rahmen dieses harten Vorgehens gegen Viasna hat das Bezirksgericht Čychunačny von Homel am 30. Dezember 2021 die Inhalte des Telegram-Kanals und der sozialen Netzwerke von Viasna als „extremistisches Material“ eingestuft und deren Administratoren und Nutzer einer möglichen strafrechtlichen Haftung beschuldigt. Mitglieder der Organisation, ihre Familien und Freiwillige werden weiterhin inhaftiert, verhört und ihre Wohnungen durchsucht.

Viasna-Mitglieder werden unrechtmäßig verfolgt

Es ist zu befürchten, dass keiner der Angestellten oder Ehrenamtlichen von Viasna ein faires Verfahren erhalten wird. Die Haftbedingungen sind beklagenswert: Alle Betroffenen berichten, dass sich ihr Sehvermögen aufgrund der Dunkelheit in den Zellen verschlechtert hat, was das Lesen fast unmöglich macht. Den meisten Inhaftierten ist es verwehrt, Telefonanrufe oder Besuche von Familienangehörigen zu empfangen, ihre Korrespondenz wird streng zensiert und oft blockiert.

Marfa Rabkova, die Koordinatorin des ehrenamtlichen Netzwerks von Viasna, wurde am 17. September 2020 festgenommen und befindet sich nunmehr im Januar 2022 17 Monate in Untersuchungshaft. Am 6. Januar wurde sie 27 Jahre alt, das war ihr zweiter Geburtstag in Folge hinter Gittern. Marfa ist nach 11 Artikeln des Strafgesetzbuchs angeklagt und muss mit bis zu 20 Jahren Haft rechnen. Ihr wird unter anderem vorgeworfen, Massenunruhen organisiert, zu Aktionen gegen die nationale Sicherheit aufgerufen, eine extremistische Organisation gegründet, eine kriminelle Organisation geleitet, zu sozialem Hass aufgestachelt und Hooliganismus begangen zu haben. Unter den ihr zur Last gelegten Vorfällen befinden sich mehrere Straftaten, die die Ermittler seit Jahren nicht aufklären können. Ihr Fall wird demnächst vor Gericht verhandelt.

Valiantsin Stefanovich, Vorstandsmitglied von Viasna und Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH), wurde am 14. Juli verhaftet und muss mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren rechnen. Im November war Valiantsin drei Wochen lang mit einer Lungenentzündung in einem Gefängniskrankenhaus untergebracht. Sein Widerstand ist jedoch nach wie vor stark. In seinen Briefen drückt er seine Dankbarkeit für die Unterstützung und Solidarität der Menschen aus.

Ales Bialiatski, der Vorsitzende von Viasna, wurde am 14. Juli verhaftet und muss mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren rechnen. In 25 Jahren Menschenrechtsarbeit hat er zahlreiche renommierte Menschenrechtspreise erhalten, darunter den Andrej-Sacharow-Preis, den Václav-Havel-Menschenrechtspreis und den Right Livelihood Award. Er wurde bereits fünfmal für den Friedensnobelpreis nominiert.

Uladzimir Labkovich, der Anwalt von Viasna, wurde am 14. Juli festgenommen und muss mit bis zu sieben Jahren Haft rechnen. Nach seiner Verhaftung hatte er mehrere Tage lang keinen Zugang zu seinem Anwalt, seine Post unterliegt einer strengen Zensur, und seine Familie hat in den letzten drei Wochen keine Korrespondenz von ihm erhalten.

Andrei Chapiuk, ehrenamtlicher Mitarbeiter von Viasna, wurde am 2. Oktober 2020 verhaftet. Andrei Chapiuk wird der „Teilnahme an Massenunruhen“ und der „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ beschuldigt. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis.

Leanid Sudalenka, der Leiter der Homel-Filiale von Viasna, wurde im vorigen Jahr am 18. Januar verhaftet. Am 3. November 2021 verurteilte ihn das Bezirksgericht Centralny von Homel zu drei Jahren Haft. Am 14. Januar 2022 wurde dieses Urteil in der Berufung bestätigt.

Tatsyana Lasitsa, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Homel-Zweigstelle von Viasna blieb nach ihrer Verhaftung am 21. Januar 2021 fast ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Am 3. November 2021 wurde sie zusammen mit Leanid Sudalenka zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, was später im Berufungsverfahren bestätigt wurde.

Über Viasna

Viasna wurde 1996 gegründet und ist eine führende Menschenrechtsgruppe in Belarus, die Menschenrechtsverletzungen beobachtet und dokumentiert, Opfer von Repressionen unterstützt. Seit ihrem Bestehen ist Viasna Schikanen und Einmischungen der belarussischen Staatsmacht ausgesetzt. Im Jahr 2011 wurde der Vorsitzende Ales Bialiatski wegen Steuerhinterziehung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, verbüßte fast drei Jahre seiner Strafe, bevor er 2014 im Rahmen einer Amnestie freigelassen wurde. Die Repressalien gegen Viasna sind Teil eines umfassenden Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft in Belarus. Seit Juli 2021 hat das belarussische Justizministerium die Schließung von 200 Organisationen der Zivilgesellschaft angeordnet.

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