Internationale Liga für Menschenrechte

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Internationale Liga für Menschenrechte verleiht die Carl-von-Ossietzky-Medaille 2004 an Percy MacLean sowie an Esther Bejarano, Peter Gingold, Martin Löwenberg

Wie jedes Jahr verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte anlässlich des Tages der Menschenrechte im Dezember die Carl-von-Ossietzky-Medaille an Personen, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung der Menschen- und Bürgerrechte besonders verdient gemacht haben sowie an Menschen, die vorbildliche antifaschistische und antirassistische Arbeit leisten.

Das Kuratorium der Liga unter Vorsitz von Hilde Schramm hat die Carl-von-Ossietzky-Medaille in diesem Jahr folgenden Personen zuerkannt: Esther Bejarano, Peter Gingold und Martin Löwenberg, alle drei Verfolgte des Naziregimes und aktive Antifaschisten, sowie Percy MacLean, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Berlin. Alle vier Preisträger werden für ihren auf unterschiedliche Weise geführten politischen und rechtlichen Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Neonazismus in dieser Gesellschaft ausgezeichnet.

* Percy MacLean (Berlin) soll für sein aufklärerisches Wirken und seine dem Antidiskriminierungsgebot verpflichtete justizielle Tätigkeit, insbesondere für politisch Verfolgte und Bürgerkriegsflüchtlinge, gewürdigt werden. Gerade in Flüchtlingsfragen setzte er mit seinem gesamten Engagement – oft genug gegen starke Widerstände aus Behörden und Politik – deutliche Akzente für einen umfassenden Menschenrechtsschutz. So hatte er sich als erster Direktor des neugegründeten „Deutschen Instituts für Menschenrechte“ dafür eingesetzt, nicht allein Menschenrechtsverletzungen in aller Welt zu thematisieren, sondern auch die Menschenrechtssituation in Deutschland zu beleuchten – z.B. den Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern, rassistische Übergriffe und Diskriminierungen, Vollzug und Dauer der Abschiebehaft sowie die deutsche Abschiebepraxis. Den Schwerpunkt auf Menschenrechtsfragen im eigenen Land zu legen, war ihm wichtiger als das Amt: Nachdem man – unter Verletzung der von den Vereinten Nationen geforderten Unabhängigkeit des Instituts – in deutschlandspezifische Projekte eingegriffen und eine Schwerpunktsetzung im internationalen Bereich verlangt hatte, erklärte er seinen Rücktritt.

* Esther Bejarano (Hamburg), Tochter einer jüdischen Familie, wurde 1943 nach Auschwitz-Birkenau verschleppt, wo sie dank ihrer musikalischen Fähigkeiten als Akkordeonspielerin im legendären Mädchenorchester des KZ überlebte. Später wird sie ins KZ Ravensbrück überstellt, wo sie Zwangsarbeit für den Siemens-Konzern verrichten muss. Ende April 1945 gelingt ihr die Flucht aus dem Todesmarsch. Nach der Befreiung ging sie nach Palästina und kehrte in den 60er Jahren aus Israel nach (West-)Deutschland zurück – in die Heimat der Mörder ihrer Familie. Sie tritt als Künstlerin und Zeitzeugin auf, klärt Menschen, insbesondere Jugendliche, über das NS-Regime sowie über neonazistische Strömungen in der Gegenwart auf. Die 79jährige kämpft bis heute gegen Rassismus und Neonazismus, mit Zivilcourage demonstriert sie gegen Rechtsradikale und ihre martialischen Aufmärsche.

* Peter Gingold (Frankfurt/M.), aus Nazideutschland nach Frankreich entkommen, war aktiver Widerstandskämpfer gegen das Naziregime im besetzten Frankreich. Er wurde von der Gestapoverhaftet, für Wochen inhaftiert und gefoltert, bis ihm die Flucht gelang. Nach dem Krieg konnte er als ehemaliger Widerstandskämpfer und Kommunist in Deutschland nur schwer wieder Fuß fassen. Er und seine Familie mussten sechs lange Jahre um die Erlangung der bundesdeutschen Staatsbürgerschaft kämpfen – wegen „Zweifeln“ an ihrem Bekenntnis zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Deswegen wurde seine Tochter Silvia Mitte der 70er Jahre mit einem Berufsverbot belegt. Erst nach langen Prozessen und heftigen Protesten wird sie schließlich als Lehrerin im Schuldienst eingestellt, aber nie verbeamtet. Peter Gingold und seine Frau Ettie sind seit den 60er Jahren in der Friedensbewegung und der antifaschistischen Bewegung aktiv – entsprechend ihrer Lebensaufgabe, alles zu tun, „damit nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg von Deutschen ausgeht“. Peter Gingold ist Bundessprecher der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN-BdA). Als Zeitzeuge ist der heute 88jährige vor allem bei jungen Menschen ein beliebter und angesehener Gesprächspartner.

* Martin Löwenberg (München) hat Konzentrationslager und Zwangsarbeit überlebt. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der VVN. Aus politischen Gründen wurde er in der jungen Bundesrepublik verfolgt und verhaftet – wegen seines sozialistischen und antifaschistischen Engagements in einer Organisation, die vom Staatsschutz im Kalten Krieg als „Tarnorganisation“ der verbotenen KPD eingestuft worden war. Zweimal stand er vor Gericht, zweimal wurde er zu jeweils 10 Monaten Haft verurteilt – allein wegen seiner gewaltlosen, linksoppositionellen Betätigung und Gesinnung. Im Jahre 2003 stand er wieder vor Gericht: Diesmal wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er dazu aufgerufen hatte, sich in München einem Aufmarsch von Alt- und Neonazis in den Weg zu stellen. Erst kürzlich ist seine Berufung verworfen worden, so dass der heute 79jährige für sein antifaschistisches Engagement rechtskräftig verurteilt ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ titelte: „Ex-KZ-Häftling wegen Nazi-Protest verurteilt“.

Martin Löwenberg, Peter Gingold und Esther Bejarano stehen stellvertretend für zahllose andere,

  • die in der NS-Zeit aus rassischen und/oder politischen Gründen verfolgt worden waren,
  • die meist aktiv im Widerstand gegen das Naziregime gekämpft hatten,
  • die nach 1949 in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik wegen ihres antifaschistischen und sozialistischen Engagements, auch im Zuge der Kommunistenverfolgung, kriminalisiert und teils inhaftiert wurden,
  • die sich als Überlebende des Naziterrors oder ehemalige Widerstandskämpfer in der Bundesrepublik aktiv gegen Rassismus und Neonazismus engagiert haben und immer noch so engagieren,
  • die Mitglieder und Repräsentanten der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) sind. Ihre Organisation war 1947 von Überlebenden des NS-Terrorregimes als überparteiliche Vereinigung von Verfolgten und Antifaschisten gegründet worden. Von den 50er Jahren an bis heute wird die VVN vom Verfassungsschutz geheimdienstlich überwacht. Viele ihrer Mitglieder wurden von Entschädigungszahlungen für erlittene Verfolgung ausgeschlossen, zwei Jahrzehnte lang kriminalisiert und später auch mit Berufsverboten belegt.

Diese Menschen, die heute zwischen 79 und 88 Jahre alt sind, sollen für ihre jahrzehntelange antifaschistische Arbeit gewürdigt und geehrt werden, die sie – trotz langjähriger Kriminalisierung und Anfeindungen, trotz beruflicher und finanzieller Nachteile – mit hohem persönlichen Einsatz und Glaubwürdigkeit in der Bundesrepublik geleistet haben. Zusammen mit Percy MacLean werden sie für ihre Verdienste mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet.

Die Würdigung aller Preisträger/innen und die Verleihung der Ossietzky-Medaillen findet statt:am Sonntag, 12. Dezember 2004, 11 Uhr,

im Haus der Kulturen der Welt, Berlin,
(Kongresshalle)
John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin-Tiergarten
(S-Bhf Unter den Linden – Bus 100)

Kostenbeitrag: € 6,- ,
ermäßigt: € 3,-
Karten an der Tageskasse!

Dr. Rolf Gössner
Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte

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