Internationale Liga für Menschenrechte

Internetpräsenz der Internationalen Liga für Menschenrechte

Sde Teiman – die Schrecken des größten Folterlagers Israels

| Keine Kommentare

Derzeit werden über 9.000 Palästinenser:innen in israelischen Gefängnissen festgehalten, die meisten von ihnen aus dem Westjordanland und aus Gaza. Dies verstößt gegen die Vierte Genfer Konvention, die den Transport von Gefangenen aus besetzten Gebieten in das Staatsgebiet des Besatzers verbietet.
Die hohe Gefangenenzahl wird durch ein Militärgesetz ermöglicht, welches der israelischen Armee erlaubt, Menschen auf unbestimmte Zeit ohne Anklage und ohne Vorlage von Beweisen gegen sie einzusperren. Etwa die Hälfte aller palästinensischen Insassen sind von dieser Verwaltungshaft betroffen, die von den Vereinten Nationen als völker- und menschenrechtswidrig eingestuft wird.

Schon seit Jahrzehnten veröffentlichen palästinensische, israelische und internationale Menschenrechtsorganisationen Berichte von Folter, ungenügender medizinischer Versorgung, fehlendem juristischen Beistand und anderen Menschenrechtsverletzungen an palästinensischen Internierten in israelischen Gefängnissen.
Seit dem 7. Oktober jedoch hat sich die Lage weiter verschärft.

Vor Kurzem sind israelische Whistleblower und ehemalige palästinensische Gefangene mit Informationen herausgekommen, die grausame Misshandlungen und menschenverachtendes Verhalten der IDF gegenüber den Gefangenen schildern.
Sde Teiman, ursprünglich ein Militärstützpunkt, dient seit Beginn des israelischen Genozids an den Palästinenser:innen im Oktober 2023 als Internierungslager. Es hat die höchste Gefangenenzahl aller Internierungslager Israels und liegt in der Negev-Wüste, nur 29 Kilometer von der Grenze Gazas entfernt.

Palistinänser:innen werden willkürlich wegen angeblichen Verbindungen zu Hamas festgenommen, ohne Beweise, die dies belegen. Auch stark Erkrankte, alte Menschen, und Kinder im Alter von 12 Jahren, denen es nicht mal möglich wäre, mit Hamas zu kooperieren, werden nicht von den Festnahmen verschont. Besonders vertriebene Männer aus Gaza geraten ins Visier der IDF.

Die Zeugnisse der Whistleblower und der Gefangenen zeichnen ein Bild der Gesetzlosigkeit und Entwürdigung:
Während der Festnahme werden die Palästinenser bis auf die Unterwäsche ausgezogen, mit verbundenen Augen und gefesselten Händen auf die Ladefläche eines Lastwagens geworfen und in ein Folterlager mitten in der Wüste gebracht.
In den Lagern werden sie dann in graue Häftlingsanzüge gesteckt, in denen sie über Wochen und Monate auf hauchdünnen Matratzen sitzen müssen.
Ehemaligen Gefangenen zufolge wird es den Palästinensern verboten, sich zu bewegen, unter ihren Augenbinden zu schauen oder auch nur zu sprechen. Wenn sie nicht gehorchen oder den israelischen Soldaten danach ist, werden sie nach draußen gebracht und zusammengeschlagen.

“Wir wurden wie Tiere behandelt”, berichteten ehemalige Gefangene. Sie mussten schwere körperliche Schläge, sexuelle Übergriffe, erniedrigende und entmenschliche Behandlung und Drohungen von Gewalt sowie von Schaden gegen ihre Familien ertragen. In manchen Fällen schossen Soldat:innen mit Nagelpistolen auf die Knie der Gefangenen, oder führten während der Verhöre einen elektrifizierten oder heißen Metallstab in den Anus der Gefangenen ein. Ehemalige Gefangene und Whistleblower berichteten auch von nächtlichen Folterungen, bei welchen Soldat:innen Schallbomben auf die gefesselten Gefangenen wurfen und Militärhunde auf sie losließen.
Gefangene, die von jeglicher Verbindung zur Hamas freigesprochen wurden, werden gezwungen, als Übersetzer zwischen den Wärtern und den Gefangenen zu dienen. Ihre Augenbinde wird abgenommen, was jedoch die psychologische Folter zur Folge hat, die entmenschlichende Behandlung ihrer Mitgefangenen sehen zu müssen.

Wenn ein Gefangener durch die Folter schwerverletzt wird, verlegen die Soldat:innen ihn in das Feldkrankenhaus, ein großes weißes Zelt. Die Behandlung dort wird von Whistleblowern als „psychologische Folter“ beschrieben:
Die „Patienten“ werden mit verbundenen Augen nackt ausgezogen, an Betten festgeschnallt, durch Strohhalme ernährt und gezwungen, in Windeln zu defäkieren.
Die Krankenhäuser sind stark unterbesetzt, oft mit nur einem Arzt oder einer Ärztin und einem Pflegeteam, von denen viele unterqualifiziert sind, was in vielen Fällen zu Komplikationen oder sogar zum Tod des Patienten führt. Oft werden medizinische Eingriffe ohne Betäubung durchgeführt.
Den Ärzt:innen wurde von den israelischen Soldat:innen angeordnet, die palästinensischen Gefangenen nicht mit ihrem Namen anzusprechen, sondern ihre Seriennummern zu verwenden und keine Papiere zu unterschreiben, um Untersuchungen zu erschweren, berichteten Whistleblower.

Wenn die palästinensischen Gefangenen dann freigelassen werden, hört für sie der Horror nicht auf.
In den meisten Fällen sind sie nach der monatelangen Internierung und Folter extrem desorientiert, unterernährt, physisch und psychisch erschöpft, und weisen sichtbare Anzeichen von körperlichen und geistigen Traumata auf. Zusätzlich sind sie, zurück in Gaza, den unaufhörlichen Bombardierungen und der Unterversorgung, herbeigeführt durch Israels Blockade von Hilfsgütern, ausgesetzt.

Obwohl es schon viele Berichte von Folter und menschenverachtender Behandlung in israelischen Gefängnissen über die Jahre gab, hat sich die Situation seit dem 7. Oktober stark zugespitzt und die Behandlung der Gefangenen stark verschlechtert.
Die ILMR fordert die unverzügliche Beendigung der menschenverachtenden Internierungen und zieht die deutsche Bundesregierung in die Verantwortung, sich an internationale Gesetze zu halten, indem sie sich aktiv für die Wahrung der Menschenrechte einsetzt.

Ein Beitrag von Tommy Märzenacker, Praktikant der ILMR.

Quellen

Schreiben Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.