Pressemitteilung 09. März 2012
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Immer dann, wenn der Oury Jalloh Prozess schlechte Schlagzeilen macht und für das Polizeirevier Dessau-Rosslau, das Polizeipräsidium Dessau und mithin das Innenministerium ungünstig auszugehen droht, ist lautstarkes Poltern in Sachsen-Anhalt zu vernehmen. Der eigenen und der bundesdeutschen Öffentlichkeit soll nachdrücklich weisgemacht werden, die Dessauer Polizei habe nichts Anderes im Sinn als lammfromm und vollkommen rechtsstaatlich ihre Dienstpflichten zu erfüllen.
Fast hat es den Anschein als seien die Angehörigen dieses fest zusammengeschweißten Korps, angefangen bei den Präsidenten und Direktionen bis hin zu dem Revier, in dem aus der Zelle Nr. 5 immerhin zwei zu Unrecht gewaltsam Inhaftierte – Mirko Bichtemann 2002 und Oury Jalloh 2005 – nicht mehr lebend entlassen werden konnten, nie in der Verantwortung, sondern durchgängig Opfer von Krawallmachern und Schlägern, die wie zufällig in diesem Land meistens Migranten und Asylsuchende sind.
Dass nun der Vorsitzende des Innenausschusses des Landtags (SPD) aufgrund eines Videos der Polizei den exponierten Sprecher der Oury Jalloh Initiative und Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009, Mouctar Bah, beschuldigt, auf einen Polizisten eingeschlagen zu haben, hat, wie auch bei Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), den unguten Beigeschmack der „offensiven Vorwärtsverteidigung“. Immerhin gibt der Innenminister zu, keine Gewissheit zu haben, sondern nur seinem „Eindruck“ zu folgen. Auf diese Weise werden aber auch Verleumdungen in die Welt gesetzt. Ganz nach dem Motto „rette den schlechten Ruf unserer Polizei wer kann“ wird nun die Schuld für die polizeigemachte Eskalation auf der Demonstration am 7. Januar d. J. – dem siebenten Jahrestag der Verbrennung Oury Jallohs im Polizeigewahrsam – den Demonstrierenden zugeschrieben. Die in Dessau übliche Praxis, alles vom vermeintlichen Beweis-Video auszublenden, was die Polizei belasten könnte, ist den Liga-Beobachtern des Oury-Jalloh-Prozesses sattsam bekannt.
Für die SPD geht es immer noch um die Rehabilitierung von Georg Findeisen, der aufgrund seiner desorientierenden Rolle am 7. Januar seines Amtes als Verwaltungsleiter der Dessauer Polizeidirektion Ost enthobenen und strafversetzt wurde. Dem Innenminister geht es darum, das Polizeikorps unter sich auch hinter sich zu wissen. Das schien, nachdem er das polizeiliche Vorgehen während der Kundgebung und Demonstration an jenem Tag als Fehler bezeichnet hatte, nicht mehr selbstverständlich zu sein, weshalb er sich gleich zwei Tage später schützend vor die Gemaßregelten stellte.
De facto verletzten die anwesenden Polizisten gezielt und willentlich von der Anfangskundgebung an, grob und unangemessen das geltende
Freiheitsrecht auf Meinungsäußerung und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die Präsidentin der Liga, Fanny-Michaela Reisin war vor Ort und appellierte gleich am nächsten Tag eindringlich an Innenminister Stahlknecht, den verhängnisvollen Kurs gezielter polizeilicher Repressionen zu korrigieren – die Polizei hatte mit Gewalt Transparente mit der Aufschrift „Oury Jalloh das war Mord“ entwendet, den Start des Demonstrationszugs länger als eine Stunde verzögert und ihn auf der Demonstrationsstrecke wiederholt am Weitergehen behindert.
Dass der Sprecher des Innenausschusses, Ronald Brachmann (SPD), auf der Basis ausschließlich eines Polizeivideos und ohne Anhörung nicht polizeilicher Zeugen vorbringt, die Demonstranten hätten den Spruch benutzt, „um polizeiliches Handeln zu provozieren“ spricht für sich. Auf die bohrende Frage, warum eine Mannschaft der „grünen“ Polizei am Bahnhofsplatz, lange nach Abschluss der Demonstration, auf die heimkehrenden Berliner Demonstranten wartete, gibt keiner der Zuständigen eine Antwort.
Das war die eigentliche Provokation: Die friedlich verlaufene Demonstration sollte offenkundig mit Krawall und Gewalt enden. Ein vorbereiteter Coup des seines Amtes enthobenen Georg Findeisen?