Internationale Liga für Menschenrechte

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Rezension: ROLF GÖSSNER, MENSCHENRECHTE IN ZEITEN DES TERRORS

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 5.11.2007

Rezension: ROLF GÖSSNER, MENSCHENRECHTE IN ZEITEN DES TERRORS
Verlag: Konkret Literatur Verlag, Taschenbuch, 288 Seiten,
ISBN: 3894582529, EAN: 9783894582524, 17,00 €

SEHNSUCHT NACH SICHERHEIT
von MARTIN FORBERG

Menschenrechte und Antiterrorkampf das Thema liefert fast täglich Schlagzeilen. Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung‚“ protestiert gerade gegen die geplante (inzwischen erfolgte, d.V.) Verabschiedung des Gesetzes über die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung. Der Arbeitskreis bereitet eine Verfassungsbeschwerde vor. Diese Beschwerde wird in dem Buch von Rolf Gössner an zentraler Stelle erwähnt. Ein Novum in der deutschen Geschichte nennt sie der Rechtsanwalt, der auch Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte ist.

Im Oktober 2007 wurde Gössner zum stellvertretenden Mitglied des Verfassungsgerichtes des Landes Bremen, des Bremischen Staatsgerichtshofes, gewählt. Ihm geht es in seinem Buch nicht nur um die Protokollierung und Analyse der Schritte hin zu einem „präventiv-autoritären Sicherheitsstaat‚“, sondern auch darum, bürgerschaftliches Engagement zur Verteidigung des Rechtsstaates vorzustellen. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily und sein Nachfolger Wolfgang Schäuble sind die Hauptfiguren in Gössners Studie. Aber es geht dem Autor nicht um eine vordergründige Personalisierung. Seine materialreiche Analyse macht vielmehr deutlich, dass die Neuausrichtung der inneren Sicherheit auch in Deutschland mit „sicheren Grundrechtsverlusten‚“ einhergeht.

Gössner ist davon überzeugt, dass die Politik mit ihren fragwürdigen Methoden ausufernde Telefonüberwachung, Rasterfahndung, Computerausspähung, und generell der „Militarisierung der inneren Sicherheit‚“ keinen Ter-roranschlag verhindert habe. Der „entfesselte Rechtsstaat‚“ auf dem Weg zu seiner Abschaffung lasse dagegen eine „Kultur des Misstrauens‚“ entstehen, unter denen vor allem diejenigen zu leiden hätten, die sich kaum wehren könnten, von denen aber keine Gefahr ausgehe. Verlierer des staatlichen Antiterrorkampfes seien vor allem Einwanderer und ihre Kinder und unter ihnen besonders die Muslime. Massiv an Einfluss gewonnen hätten dagegen die Geheimdienste: Die Trennung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit als verfassungsmäßiges Gebot nach den Erfahrungen der Nazizeit verliere immer mehr an Bedeutung. Hier wachse zusammen, was nicht zusammengehört.

Dabei teilt Gössner nach allen Seiten aus: Er erwähnt nicht nur den Anteil der Diskussionsbeiträge des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungs-schutz, Heinz Fromm, an der Aufweichung des Folterverbotes in der Bundes-republik, sondern bringt auch Oskar Lafontaines populistische Interventionen zu diesem Thema in Erinnerung. Gössner nimmt auch die deutsche Beteiligung an Kriegen wie in Afghanistan unter die Lupe. Es ist fast selbstver-ständlich, dass er in diesem Zusammenhang die Aushöhlung des Völkerrechts anprangert. Der Autor setzt auch hier auf die Förderung von Zivilcourage, etwa am Beispiel des Majors Florian Pfaff, der sich geweigert hatte, einen Befehl auszuführen, der seiner Ansicht auf eine Unterstützung des Irakkrieges hinauslief. Das Bundesverwaltungsgericht rehabilitierte den entlassenen Major.

Gössner kritisiert nicht nur staatliches Handeln, sondern beklagt auch die Sehnsucht nach trügerischer Sicherheit in großen Teilen der Bevölkerung. Aber der Autor kommt nicht im Gestus eines allseits frustrierten Fundamen-taloppositionellen daher. So entwickelt er beispielsweise differenzierte, juristisch und politisch durchdachte Initiativen zum Umgang mit dem Rechtsradikalismus. Gehört das überhaupt noch zum Thema? Ja, durchaus, zumindest wenn es um einen ganzheitlichen demokratischen Ansatz geht, der sich nicht nur damit begnügt, vor dem Überwachungsstaat zu warnen, sondern den vielfältigen Gefährdungen von Bürgerrechten in ihrer ganzen Breite entgegentreten will. Aufklärerisch ist hier bereits, dass Gössner den Begriff „rechter Terror‚“ verwendet und so deutlich werden lässt, dass es auch im Windschatten des 11.9. verschiedene Spielarten terroristischer Gewalt gibt. Er warnt vor einfachen, nicht-rechtsstaatlichen Konzepten in der Auseinandersetzung mit der NPD. Den Königsweg sieht Gössner auch hier im demokratischen Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Umfassend plädiert er für einen „sozialen, friedens- und umweltpolitischen Sicherheitsbegriff‚“.

Wenn der Rechtsstaat unter die Räder kommt, ist es auch um die Gerechtigkeit schlecht bestellt. Diesen Schluss legt das Buch, in Abwandlung eines berühmten Zitats aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR, nahe. Mancher Schlapphut mag sich von Gössners Ansatz überfordert fühlen: Seit Jahren wird der Jurist, der auch als Politikberater tätig ist, selbst vom Verfassungsschutz beobachtet. Dagegen klagt er nun. Dieser Rechtsstreit dürfte spannend werden. MARTIN FORBERG

ROLF GÖSSNER: Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der „Heimatfront‚“. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2007. 288 S.,17 Euro. http://sz-shop.sueddeutsche.de/mediathek/shop/catalog/ShowMediaDetailVP.do?p id=4098022&extraInformationShortModus=false

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