„Internationale Liga für Menschenrechte“ hält biometrische Erfassung in Ausweispapieren für unverhältnismäßigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung.
Liga-Präsident Rolf Gössner: „Die Erfassung der Fingerabdrücke aller reisewilligen Bürger in den neuen Pässen ist eine Misstrauenserklärung an die Bevölkerung. Sie degradiert den Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Sicherheitspolitik“
Die biometrische Erfassung der Bevölkerung in Ausweispapieren ist im Rahmen der Antiterror-Gesetze eingeführt worden und erfährt mit dem heutigen Tage eine neue Dimension. Seit Ende 2005 gibt es den Reisepass mit einem digitalen Gesichtsbild, jetzt folgen die digitalen Fingerabdrücke beides gespeichert auf einem Funkchip. Diese Maßnahmen sollen der Fälschungssicherheit dienen.
Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner: „Alle, die einen Pass später einen Personalausweis – beantragen, werden also biometrisch vermessen müssen sich behandeln lassen, wie bislang nur Tatverdächtige oder Kriminelle im Rahmen einer Erkennungsdienstlichen Behandlung. Da die Funkchips praktisch kontaktlos aus der Distanz auslesbar sind, ließen sich damit leicht und unbemerkt Bewegungsbilder der Passinhaber erstellen weshalb der neue Pass unbedingt in einer funkdichten Abschirmhülle getragen werden sollte.“
Zwar sei gegen Fälschungssicherheit aus Datenschutzsicht nichts einzuwenden, so Gössner, doch schon bislang galten die bundesdeutschen Ausweise als die fälschungssichersten der Welt. Außerdem hätten auch biometrische Ausweise nicht dazu geführt, unauffällige „Schläfer“ mit im Ausland ausgestellten Personalpapieren oder Einheimische mit echten Dokumenten als potentielle Attentäter zu entdecken weder die Anschläge vom 11.9.2001 oder die von Madrid oder London hätten also damit verhindert, geschweige denn die diversen Anschlagsversuche damit aufgedeckt werden können. Der riesige Aufwand, insbesondere auch der Kostenaufwand, der mit der Biometrisierung verbunden ist, dürfte also in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem angeblichen Sicherheitsgewinn stehen. Im Gegenteil: Mit der Biometrisierung der Ausweisdokumente ist eine Risikotechnologie verbunden, die ihrerseits Unsicherheiten in sich birgt. Wie schon bei einem fehlgeschlagenen Test mit den Fingerabdrücken des früheren, über siebzigjährigen Bundesinnenminsters Otto Schily festgestellt, werden viele ältere Menschen bei der Abnahme und beim Vergleich der Fingerabdrücke Probleme bekommen. Internationale Erfahrungen belegen, dass weit über zehn Prozent der Senioren sowie auch Menschen, die mit ihren Händen harte Arbeit verrichten, keine erfassbaren Fingerabdrücke haben was zu Diskriminierungen, verschärften Kontrollen und langen Wartezeiten führen kann.
Außerdem wird mit der biometrischen Erfassung der Bevölkerung bereits in Ansätzen eine digitale Überwachungsstruktur mit hohem Missbrauchspotential angelegt, die weiter ausbaufähig ist. Werden die biometrischen Merkmale nicht nur in den Funkchips der Ausweise gespeichert, sondern – wie von Sicherheitspolitikern längst schon gefordert – parallel in zentralen oder dezentralen Dateien auf Vorrat, so könnten mit diesen Massendaten künftig Rasterfahndungen ermöglicht werden. Dann könnten im Bedarfsfall etwa die erfassten Fingerabdrücke der Bevölkerung automatisch mit solchen abglichen werden, die an irgendwelchen Tatorten etwa eines Mordes oder Attentats gefunden wurden damit würden alle, die jemals an diesen Orten etwas berührt hatten, in einen schweren Verdacht geraten; und die digitalisierten Gesichtsbilder könnten mit Video-Bildern aus dem öffentlichen Raum abgeglichen werden, um etwa verdächtige oder gesuchte Personen aus einer Menschenmenge herauszufiltern.
Rolf Gössner: „Die biometrische Erfassung der gesamten Bevölkerung ist nicht nur ein kostspieliger und unverhältnismäßiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, sondern auch eine Misstrauenserklärung an die Bevölkerung. Sie degradiert den Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Sicherheitspolitik ohne dass dies auch nur durch eine irgendwie geartete ‚ÄöGefahrennähe‚Äô des Einzelnen gerechtfertigt wäre.“