- Die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) und ihre Mitgliedsorganisation, die Liga zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran (LDDHI), zeigen sich zutiefst beunruhigt über die jüngste militärische Eskalation zwischen Israel und dem Iran.
- Sie verurteilen entschieden die Aggression Israels und den Einsatz von Waffengewalt gegen den Iran, was eine Verletzung des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen darstellt. Ebenso verurteilen sie die gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Iran und in Israel.
- Erneut sind Zivilpersonen im Iran und in Israel die Hauptleidtragenden dieser Angriffe. Diese Aggression, die durch Israels Straffreiheit begünstigt wird, rückt die anhaltenden internationalen Verbrechen Israels gegen die Palästinenser:Innen in den Hintergrund – darunter der Völkermord in Gaza und kolonial Gewalt im Westjordanland
Paris, 18. Juni 2025. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 2025 startete Israel eine großangelegte, überraschende und unprovozierte Militäroffensive und griff über 100 Ziele im Iran an, darunter mutmaßliche Nuklearanlagen und militärische Einrichtungen. Berichten zufolge wurden Dutzende von Nuklearanlagen getroffen, hochrangige Militärkommandanten, führende politische Persönlichkeiten sowie mindestens neun Nuklearwissenschaftler:Innen getötet – eine Zahl, die sich in den darauffolgenden Tagen auf mindestens 14 erhöhte. Auch Angehörige der Wissenschaftler:Innen und andere Zivilpersonen, die in ihrer Nähe lebten, kamen bei den Angriffen ums Leben.
Als Vergeltung begann der Iran ab dem 13. Juni mit einer Reihe von Raketen- und Drohnenangriffen auf israelisches Gebiet, die seither andauern. Israel setzte seinerseits Raketenangriffe gegen den Iran fort – unter anderem auf ein Krankenhaus am Montag, dem 16. Juni 2025 – und flog Hunderte von Luftangriffen mit F-35- und F-16-Kampfflugzeugen. Laut iranischen Behörden wurden bis zum 17. Juni mindestens 224 Menschen im Iran infolge der israelischen Angriffe getötet. Viele davon waren Zivilisten, darunter mindestens 20 Kinder, wie die FIDH-Mitgliedsorganisation LDDHI berichtete. Israelische Behörden meldeten 24 Tote in Israel, darunter mindestens vier palästinensische Staatsbürger Israels aus der Stadt Tamra. Beide Regierungen kündigten öffentlich an, ihre Angriffe zu intensivieren – trotz dringender internationaler Appelle zur Deeskalation und zur sofortigen Einstellung gezielter Angriffe auf Zivilpersonen und andere nach internationalem Recht geschützte Gruppen.
Leider überschattet diese Eskalation auch die fortdauernden internationalen Verbrechen von Israel, darunter Völkermord, Aushungern und die Bombardierung ziviler Infrastruktur, wie Schulen (die als Schutzräume dienen), Krankenhäuser und Geschäfte im Gazastreifen. Gleichzeitig setzen israelische Siedler ihre Angriffe auf palästinensische Gemeinden fort, und der Großteil des Westjordanlands wurde abgeriegelt – die Bewegungsfreiheit zwischen Städten und Dörfern ist nahezu zum Erliegen gekommen.
Die FIDH und die LDDHI beklagen den Verlust von Menschenleben im Iran und in Israel und erinnern die Staats- und Regierungschefs beider Länder daran, dass das humanitäre Völkerrecht die gezielte Bekämpfung von Zivilpersonen und ziviler Infrastruktur strengstens verbietet. Sie fordern die Behörden beider Länder dringend auf, den Konflikt sofort zu deeskalieren und Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Sie fordern die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (UNSC) und der UN-Generalversammlung (UNGA), nachdrücklich auf, entschlossen zu handeln – durch die Forderung eines sofortigen Waffenstillstands, die Unterstützung unabhängiger Untersuchungen aller Verstöße und die Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen. Alle Maßnahmen, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten – wie etwa ein militärisches Eingreifen, wie es US-Präsident Donald Trump angedroht hat – müssen unterlassen werden. Israels langjährige Straffreiheit, die durch die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft und den politischen Schutz seiner Verbündeten ermöglicht wurde, muss endlich beendet werden, bevor sich die Krise weiter zuspitzt und die gesamte Region in einen großflächigen, irreversiblen Konflikt stürzt.
Israels Argument der präventiven Selbstverteidigung ist unhaltbar
Israels Berufung auf das sogenannte „Recht auf präventive Selbstverteidigung” muss entschieden zurückgewiesen werden. Gemäß Artikel 51 der UN-Charta ist der Einsatz von Gewalt zur Selbstverteidigung nur als Reaktion auf einen tatsächlichen bewaffneten Angriff zulässig – nicht auf Basis von Vermutungen oder potenziellen Bedrohungen. Dieses Prinzip ist im Völkergewohnheitsrecht verankert und wurde durch die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (ICJ), insbesondere im Fall Nicaragua gegen die Vereinigten Staaten, bestätigt. Selbst wenn Gewaltanwendung erlaubt ist, müssen nach dem humanitären Völkerrecht alle militärischen Maßnahmen den Prinzipien der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen entsprechen. Umfang und Art der israelischen Angriffe auf den Iran, insbesondere auf zivile Gebiete und medizinische Einrichtungen, verstoßen gegen diese Grundprinzipien und können nicht als rechtmäßige Selbstverteidigung gelten.
Das iranische Atomprogramm steht bereits unter internationaler Aufsicht.
Behauptungen über ein angebliches Atomwaffenprogramm des Iran, mit denen Israel zu rechtfertigen versucht, müssen im Rahmen bestehender multilateraler Mechanismen behandelt werden, die genau für solche Fälle geschaffen wurden. Der Iran ist Vertragspartei des Atomwaffensperrvertrags (NPT), und seine Nuklearanlagen unterliegen laufenden Inspektionen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die regelmäßig an den UN-Sicherheitsrat und die UN-Generalversammlung berichtet. Der Einsatz von Gewalt außerhalb dieses Rahmens ist nicht nur rechtswidrig, sondern gefährdet auch die Glaubwürdigkeit des internationalen Nichtverbreitungsregimes. Falls Israel oder andere Staaten über glaubhafte Hinweise auf Verstöße verfügen, sollten diese der IAEO oder dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt werden – nicht als Rechtfertigung für einseitige Militäraktionen dienen. Darüber hinaus ist Israel kein Vertragsstaat des Atomwaffensperrvertrags und verfügt selbst über ein umfangreiches Atomwaffenarsenal. Angesichts der Spannungen in der Region sollte es keinem Staat erlaubt sein, Nuklearwaffen zu entwickeln.
Aufruf zum Handeln durch den UN-Sicherheitsrat und die Generalversammlung
Die FIDH fordert den UN-Sicherheitsrat auf, seiner Verantwortung zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nachzukommen – durch die Verurteilung des völkerrechtswidrigen Einsatzes von Gewalt durch Israel, die Verhängung eines Waffenembargos sowie die Anordnung einer unabhängigen internationalen Untersuchung aller Verstöße. Im Falle einer Pattsituation aufgrund der Ausübung des Vetorechts sollte die UN-Generalversammlung die Resolution „Uniting for Peace” anwenden, um ihre subsidiäre Verantwortung wahrzunehmen. Auch wenn sie keine Fälle an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) überweisen kann, kann sie ein Gutachten beim Internationalen Gerichtshof (IGH) einholen, unabhängige Untersuchungsgremien einrichten und Sanktionen oder andere Maßnahmen empfehlen. Jetzt ist die Zeit für entschlossenes, koordiniertes internationales Handeln – bevor diese Eskalation die Region in eine unumkehrbare Katastrophe stürzt.
Zum Originaltext : https://www.fidh.org/en/region/asia/iran/israel-iran-immediately-de-escalate-conflict-protect-civilians