Interview von Frauke Albrecht, SONNTAGSTIPP vom 2. September 2007
mit Dr. ROLF GÖSSNER, Rechtsanwalt, Publizist, Präsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ und Parlamentarischer Berater
EIN RIESENSKANDAL – Diskussion um NDP-Verbot neu entfacht
1. SPD-Chef Kurt Beck ist mit seiner Forderung nach einem NPD-Verbot nicht nur in seiner eigenen Partei auf Skepsis gestoßen. Bereits 2003 war ein Verbotsversuch gescheitert, weil Informanten von Bund und Ländern in den Führungsgremien der Partei saßen. Haben die Pläne dieses Mal Aussicht auf Erfolg?
Rolf Gössner: Ein neuer Verbotsantrag würde das gleiche Schicksal erleiden wie 2003, weil die NPD nach wie vor mit V-Leuten durchsetzt ist. Beim letzten, kläglich gescheiterten Versuch erlebten wir die größte V-Mann-Affäre in der bundesdeutschen Geschichte, aus der bis heute keine Konsequenzen gezogen wurden. V-Leute seien unverzichtbar, um verfassungswidrige Bestrebungen der NPD festzustellen, so die Bundesregierung eine klarere Absage an einen erneuten Verbotsanlauf kann es kaum geben.
2. An der Verfassungswidrigkeit der NPD ist nicht zu zweifeln. Was die Sache schwierig mache, sei die prozessuale Ebene, heißt es. Können Sie als Jurist das erklären?
Mit einem neuen Verbotsantrag, trotz der V-Leute-Unterwanderung, würde ein Geheimprozess billigend in Kauf genommen. Das würde ein rechtsstaatlich-faires Verfahren unmöglich machen, weil geheime Informanten des Verfassungsschutzes im Prozess als Zeugen fungieren müssten ausgerechnet in einem Prozess, in dem der Rechtsstaat gegen verfassungswidrige Bestrebungen verteidigt werden sollte. Insoweit ist es nur konsequent, wenn ein solch geheimdienstlich verseuchtes Verfahren aus verfahrensrechtlichen, nicht aus inhaltlichen Gründen eingestellt wird.
3. Warum ist es Ihrer Meinung nach so schwierig, die NPD zu verbieten?
Weil der Staat diese rechtsextreme Partei über seine langjährig bezahlten Spitzel mitfinanziert und stärkt, anstatt sie zu schwächen ein Riesenskandal, weil der Verfassungsschutz über sein V-Leute-Netz Teil des Neonazi-Problems geworden ist und nicht ansatzweise zu dessen Lösung beitragen konnte. Um ein neues Verbotsdesaster zu vermeiden, müssten alle V-Leute zumindest auf den NPD-Führungsebenen abgeschaltet werden. Das heißt: Alle Innenminister und VS-Ämter müssten am selben Strang ziehen. Erst nach einer angemessenen Karenzzeit könnte ein neuer Verbotsanlauf riskiert werden, falls man denn eine solche Verbotspolitik überhaupt für sinnvoll hält.
SONNTAGSTIPP erscheint mit einer Auflage von 140 000 Exemplaren im südlichen Raum um Bremen (incl. Syke, Rotenburg, Nordhorn).
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