Die iranischen Behörden müssen unverzüglich ihr tödliches Vorgehen gegen unbewaffnete Demonstranten beenden, die in zahlreichen Städten auf die Straße gegangen sind, um ihren Widerstand gegen die Benzinpreissteigerungen zum Ausdruck zu bringen. Gemäß den internationalen Menschenrechtsabkommen, zu denen der Iran Vertragsstaat ist, hat sich die iranische Regierung verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen – einschließlich der Anwendung tödlicher Gewalt durch Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden und des Sicherheitspersonals in Zivil – und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, so die gemeinsame Forderung der FIDH (Fédération Internationale des Droits Humains) mit ihren iranischen Mitgliedsligen LDDHI und DHRC.
Am frühen Morgen des 15. November 2019 kündigten die iranischen Behörden einen bis zu 250% erhöhten Benzinpreis an. Die Preiserhöhung wurde vom Obersten Rat der drei Staatsgewalten für wirtschaftliche Koordinierung beschlossen. Irans Oberster Führer Ayatollah Khamenei, der im Juni 2018 den verfassungswidrigen neuen Obersten Rat gründete, unterstützte die Entscheidungen des Gremiums.
Am Nachmittag des 15. November 2019 begannen in den südlichen Städten Massenproteste und breiteten sich in mehr als 100 Städten im ganzen Land aus. Die Regierung unter der Führung des Obersten Führers hinderte das Parlament, die Erhöhung der Benzinpreise zu diskutieren und möglicherweise rückgängig zu machen. Sie befahl den Sicherheitskräften, die Proteste zu zerschlagen und das Internet komplett abzuschalten.
Mitglieder der Sicherheitskräfte griffen die Protestierenden an und schlugen die Demonstrationen brutal nieder, wobei sie mit Tränengas und sogar scharfer Munition schossen, um die Teilnehmenden zu zerstreuen. Zwischen dem 16. und 18. November wurden u.a. in Karaj (Provinz Alborz) Saveh (Provinz Markazi), Marivan (Provinz Kurdistan), Isfahan (Provinz Isfahan), Kermanshah (Provinz Kermanshah) Shiraz (Provinz Fars), Teheran und Shahriyar (östlich von Teheran) Scharfschützen gegen Demonstrierende eingesetzt, die sich zu verteidigen versuchten. Zahlreiche Demonstrierende wurden in verschiedenen Städten und Provinzen im ganzen Land getötet. Bislang haben offizielle Quellen weder die Zahl der Getöteten noch die genaue Zahl der Inhaftierten angegeben. Es ist zu befürchten, dass mehrere hundert Demonstrierende ums Leben kamen. Die einzigen Informationen über die Zahl der Inhaftierten stammen von der halboffiziellen Nachrichtenagentur Fars, die am 18. November unter Berufung auf einen nicht identifizierten Beamten berichtete, dass vom 15. bis 18. November 1.000 Demonstrierende verhaftet worden seien.
Am 19. November forderte das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) die iranischen Behörden auf, bei der Auflösung friedlicher Versammlungen die Anwendung von Gewalt zu beenden und das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Versammlungs- und Vereinigungsrecht zu achten; darin eingeschlossen die sofortige Wiederherstellung des Internetzugangs sowie anderer Kommunikationsformen.
Die Iran-Arbeitsgruppe der Internationalen Liga für Menschenrechte, Gründungsmitglied der FIDH, erklärt sich solidarisch mit der Forderung ihrer beiden iranischen Schwesterligen LDDHI und DHRC. Sie unterstützt den Aufruf des OHCHR und fordert mit den Schwesterligen die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Vereinten Nationen und die Europäische Union auf, die iranischen Behörden zu veranlassen, mit dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, damit unabhängige und unparteiische Untersuchungen zu den tödlichen Vorfällen erleichtert, die Täter identifiziert und vor Gericht gestellt werden können.