Nach erfolgreicher Zusammenarbeit mit dem Magistrat von Wiesbaden drückt der Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte seine Freude darüber aus, dass der sozial engagierte Publizist und Politiker Hellmut von Gerlach auch durch den Fortbestand seines Grabes im kollektiven Gedächtnis bleibt. Er war 1914 Mitbegründer des Bundes Neues Vaterland, 1922 der Deutschen Liga für Menschenrechte und zeitgleich der ersten internationalen Menschenrechtsorganisation FIDH, der Féderation des Ligues des Droits de l’Homme, die als heute weltweite Organisation ihren Sitz immer noch in Paris hat.
Hellmut von Gerlach wurde als Sohn eines Gutsbesitzers 1866 in Schlesien geboren und starb 1935 in Paris. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Genf, Straßburg, Leipzig und Berlin trat Gerlach zunächst in den preußischen Staatsdienst ein. Im Jahr 1892 kehrte Gerlach dem Staatsdienst den Rücken, um sich ausschließlich politischer und journalistischer Arbeit zu widmen. Von 1892 bis 1896 war er Redakteur der christlich-sozialen Tageszeitung Das Volk. Als einziger Nationalsozialer gehörte Gerlach vom Juni 1903 bis zum Januar 1907 dem Reichstag an. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm Gerlach jedoch eine pazifistische Haltung ein. Überzeugt von der deutschen Kriegsschuld, forderte er in seiner Zeitung Welt am Montag die Durchsetzung konsequenter Verständigungspolitik. Gerlach übernahm wichtige Ämter im Rat des Internationalen Friedensbüros und in der Deutschen Friedensgesellschaft. Als Journalist kämpfte er gegen politische Umsturzversuche rechtsgerichteter Kreise. So trat er für die Erfüllung des Versailler Vertrags ein und prangerte die illegale Aufrüstung an. In der Welt am Montag richtete er seinen Blick besonders auf die deutsch-französische Verständigung. 1920 entging Gerlach nur knapp einem Mordanschlag aus dem nationalistischen Umfeld, da er sich ebenfalls für die deutsch-polnische Aussöhnung eingesetzt hatte. 1926 wurde er Vorsitzender der Deutschen Liga für Menschenrechte.
Seit 1913 hatte Siegfried Jacobsohn „Die Schaubühne“ auch für politische Themen geöffnet und entwickelte das „Blättlein“ nach Umbenennung im April 1918 in Die Weltbühne zu einem über Deutschland hinaus bekannten pazifistischen Forum der politischen Linken. Nach seinem Tod 1927 wurde Carl von Ossietzky unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky unbeugsamer Herausgeber und Chefredakteur der Weltbühne. Als Ossietzky 1932 wegen seiner journalistischen Enthüllungen eine Haftstrafe antreten musste, bat er seinen Mitstreiter Gerlach, überzeugt von dessen Integrität, die politische Leitung für die Wochenschrift Die Weltbühne zu übernehmen.
Nach der Veröffentlichung der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches von 1933, die seinen Namen enthielt, ging Gerlach ins Exil nach Österreich. Auf Einladung der französischen Liga für Menschenrechte Ligue des Droits de l‘Homme siedelte er dann nach Paris über, wo er sein journalistisches und pazifistisches Engagement fortsetzte und vor dem nationalsozialistischen Regime warnte. Gerlach und anderen Mitstreitern ist es zu verdanken, dass die Kampagne für Ossietzkys Nobelpreisnominierung schließlich erfolgreich war, was für Ossietzky die späte Befreiung aus dem KZ bedeutete.
Hellmut von Gerlach hatte 1904 Hedwig Wiesel geheiratet, mit der er einen Sohn und eine Tochter hatte. Auf Wunsch der Familie wurde sein Grab von Paris nach Wiesbaden verlegt.
Der 2016 verstorbene Journalist, Publizist und das langjähriges Ligamitglied Eckart Spoo hatte 1997 mit der Zweiwochenschrift Ossietzky die Tradition der Weltbühne wiederbegründet. Er erinnerte aus Anlass des 150. Geburtstag (Ossietzky 3/2016 S.100) an Hellmut von Gerlach, der schon zu seiner Zeit beklagte, dass Verträge und Verfassungen lediglich wie ein „Fetzen Papier“ behandelt werden.