„Internationale Liga für Menschenrechte“ begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur PC-Online-Durchsuchung
Liga-Präsident Rolf Gössner: „Wieder einmal musste das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig und nichtig erklären. Es ist für einen demokratischen Rechtsstaat schon bedrohlich, mit welcher Dreistigkeit Regierungen und Gesetzgeber im Zuge des staatlichen „Antiterrorkampfes“ Grundrechte und Verfassung negieren und verletzen“
Die Regelung im Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zur heimlichen Online-Durchsuchung von Computern ist verfassungswidrig und nichtig. Dieses vernichtende Urteil hat das Bundesverfassungsgericht heute über das Gesetzeswerk der CDU-FDP-Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen gefällt. Die Ausforschungsregelung für den NRW-Inlandsgeheimdienst stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre und das Telekommunikationsgeheimnis dar und verstoße gegen das Persönlichkeitsrecht von Betroffenen. Sie sehe keinerlei Vorkehrungen vor, um den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu gewährleisten. Im Übrigen verstoße sie gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Das Verfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung ein neues Grundrecht auf Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität von Informationssystemen geschaffen; dieses Grundrecht kann nur unter engsten Voraussetzungen per richterlicher Anordnung eingeschränkt werden zur Abwehr einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut. An diese eng begrenzten höchstrichterlichen Vorgaben hat sich nun jeder Innenminister und jeder Gesetzgeber zu halten drohen doch bereits neue Regelungen zur Online-Durchsuchung auf Bundes- und Länderebene.
Liga-Präsident Dr. Rolf Gössner: „Die schrankenlosen Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur Installierung von Bundestrojanern dürften mit diesem Urteil weitgehend Makulatur geworden sein. Damit ist hoffentlich die drohende Gefahr eines weiteren verfassungswidrigen Gesetzes gebannt. Jetzt müssen sämtliche Gesetze und Gesetzesentwürfe daraufhin überprüft werden, ob sie mit dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme vereinbar sind ein Sieg für die Bürgerrechte.“
Die „Internationale Liga für Menschenrechte“ erinnert angesichts dieser Entscheidung daran, dass Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in den letzten Jahren mehrfach Gesetze und Maßnahmen für verfassungswidrig erklären mussten so etwa den Großen Lauschangriff, die präventive Telekommunikationsüberwachung, den Europäischen Haftbefehl, den Fluggast-Datentransfer an US-Sicherheitsbehörden oder die Befugnis zum präventiven Abschuss eines gekaperten Passagierflugzeugs durch das Militär im Luftsicherheitsgesetz. Auch die exzessi-ven Rasterfahndungen nach „islamistischen Schläfern“ sind für unverhältnismäßig und verfassungswidrig erklärt worden. Und sämtliche durchgeführten Online-Durchsuchungen waren illegal.
Rolf Gössner: „Die Gerichte rügen eindrücklich die besorgniserregende Tatsache, dass Regierungen und Parlamente in diesen Fällen unveräußerliche Grund- und Bürgerrechte, die Men-schenwürde und den Kernbereich privater Lebensgestaltung einer vermeintlichen Sicherheit geopfert haben. Diese hohe Anzahl verfassungswidriger Gesetze und Maßnahmen verweist auf ein Verfassungsbewusstsein in der politischen Klasse und mancher Sicherheitsbehörde, das im Zuge der Terrorismusbekämpfung offenbar immer mehr zu schwinden scheint.“