Internationale Liga für Menschenrechte

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Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt juristische Initiative gegen Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung

Pressemitteilung der Internationalen Liga für Menschenrechte vom 7.08.2018

Der Datenschutz- und Bürgerrechtsverein Digitalcourage e.V. hat heute in Karlstuhe die Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner, Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung eingereicht (13 Uhr), wie sie seit 2017 in der Strafprozessordnung beim Bundesverfassungsgericht geregelt sind. Digitalcourage-Pressemitteilung im Anhang.

Die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt diese Verfassungsbeschwerde und ist über ihr Kuratoriumsmitglied Dr. Rolf Gössner als Erstbeschwerdeführender beteiligt, so wie bereits zuvor an den beiden Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung.

Zur grundsätzlichen Problematik dieser Eingriffsgefugnisse und ihrer Folgen erläutert Rolf Gössner (Internationale Liga für Menschenrechte): „Staatstrojaner sind digitale Waffen, mit denen der Staat heimlich in Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte, in Informationelle Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit der Betroffenen einbrechen kann. Es handelt sich um einen der schwersten Grundrechtseingriffe, der auch die Menschenwürde verletzt sowie die IT-Sicherheit schädigt – und damit auch die Allgemeinheit. Diese Methode zur digitalen Totalüberwachung gehört deshalb dringend für null und nichtig erklärt.“

Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen zur Strafverfolgung finden ihre Entsprechung in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder, die gegenwärtig zur Gefahrenabwehr mit besonders prekären Eingriffsbefugnissen verschärft werden, u.a. auch mit der legalen Möglichkeit zur heimlichen Einschleusung von Staatstrojanern. Deshalb kommt der vorliegenden Verfassungsbeschwerde auch in dieser Hinsicht besondere Bedeutung zu.

Die Beschwerdeführenden der Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner sind:

  • Rena Tangens und padeluun als Digitalcourage-Gründer und Netzpionierinnen, die sich u.a. für Verschlüsselung einsetzen,
  • Rechtsanwalt und Publizist Dr. Rolf Gössner aus Bremen (Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte), der fast 40 Jahre rechtswidrig durch den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ überwacht wurde,
  • der Autor Marc-Uwe Kling aus Berlin, denn er wohnt mit einem kommunistischen Känguru in einer Wohngemeinschaft, wie aus seiner Känguru-Trilogie allgemein bekannt ist,
  • der Fachanwalt für Strafrecht Christian Mertens aus Köln,
  • der Strafverteidiger Prof. Dr. jur. habil. Helmut Pollähne aus Bremen.

Ausgearbeit wurde die Verfassungsbeschwerde von den Klagevertretern:

  • RA Meinhard Starostik †
  • Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp
  • Prof. Dr. Frank Braun

Hintergrund

Das 2017 verabschiedete „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ erlaubt dem Staat die Installation von sogenannten Trojanern zum Auslesen und Ausforschen von Kommunikation (Quellen-Telekommunikationsüberwachung) und sämtlichen gespeicherten Inhalten (Online-Durchsuchung) durch die Polizei auf allen Kommunikationsgeräten, wie PC, Laptop, Tablets, Smart- oder Iphones. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich konkret gegen §§ 100a, 100b, 100d und 100e der Strafprozessordnung (StPO) und begründet ihre weitgehende Verfassungswidrigkeit.

Staatstrojaner sind ein Angriff auf all unsere Geräte: Die Schad- oder Spionage-Software wird über Sicherheitslücken ins IT-System eingeschleust und dort installiert. Diese Hintertüren können außer der Polizei auch alle möglichen Geheimdienste und Cyber-Kriminelle nutzen, um in solche Geräte einzusteigen und deren Inhalte auszuforschen oder gar zu manipulieren. Diese Gesetzesnormen untergraben das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (IT-Grundrecht) – darum haben wir heute gegen das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

„Wir lagern intimste Informationen in unsere Geräte aus“, warnt padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage. „Fotos, private Nachrichten, Tagebücher, Dokumente – es ist ein Angriff auf unser innerstes Privatleben, wenn der Staat jederzeit auf diese Daten zugreifen kann und das ohne unser Wissen.“

Bereits mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Digitalcourage-Verfassungsbeschwerde gegen Staatstrojaner.

Hier können sich weitere Unterstützerinnen und Unterstützer anschließen: https://aktion.digitalcourage.de/kein-staatstrojaner

Verfassungsrechtliche Argumente gegen den Staatstrojaner

Anlass des Eingriffs: Die Online-Duchsuchung ist laut Bundesverfassungsgericht nur bei konkreter Gefährdung eines überragend wichtigen Rechtsgutes zulässig. Das aktuelle Gesetz ignoriert diese Einschränkung, weil es Online-Duchsuchungen für einen umfangreichen Katalog von Straftaten vorsieht, unter anderem bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Schleusen von Flüchtenden.

Tiefe des Eingriffs: Das Bundesverfassungsgericht hat die Quellen-Telekommunikations-Überwachung untersagt, wenn dabei das gesamte informationstechnische System überwacht wird. Ob die eingesetzten Staatstrojaner das gewährleisten und sich an die Vorgaben dieses Urteils halten, ist fraglich.

Staatliche Schutzpflicht verletzt: Schadprogramme wie WannaCry und NotPetya nutzen Sicherheitslücken. Es ist Aufgabe des Staates, diese zu schließen. Aber Staatstrojaner sind auf genau diese Sicherheitslücken angewiesen, weil sie praktisch nur auf diesem Weg in Kommunikationsgeräte eingeschleust werden können. Damit verletzt der Einsatz von Staatstrojanern das Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.

Einschränkung von Grundrechten ist nicht verhältnismäßig: Beim Einsatz von Staatstrojanern ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Grundrechte fraglich, weil die informationstechnischen Systeme aller Bürgerinnen und Bürger unsicher gehalten werden müssen und der Strafkatalog, bei dem diese Maßnahmen zum Einsatz kommen können, äußerst umfangreich ist.

Quelle: https://digitalcourage.de/blog/2017/wir-klagen-gegen-den-staatstrojaner-verfassungsbeschwerde-jetzt-unterstuetzen

Pressekontakt

Digitalcourage e.V. | Ansprechpartner.innen: Rena Tangens, padeluun
Tel Büro: 0521-1639 1639
Mobil vor Ort: 0175-984 99 33
Mail: presse@digitalcourage.de
Web: digitalcourage.de

Pressemitteilung von Digitalcourage e.V. vom 7.08.2018 (pdf)

Weitere Informationen zum Staatstrojaner

Zitate aller Beschwerdeführer.innen und Fotos zur freien Nutzung von der Einreichung der Verfassungsbeschwerde und der Pressekonferenz: https://digitalcourage.de/blog/2018/verfassungsbeschwerde-gegen-staatstrojaner-eingereicht

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