Internationale Liga für Menschenrechte

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Umstrittene gemeinsame Antiterror-Übungen von Polizei und Bundeswehr

ab heute, 7. März 2017 in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein

Soldaten sind keine Hilfspolizisten (pdf)

Kritische Stellungnahme von Liga-Vorstandsmitglied Rolf Gössner im WESER-KURIER / KURIER AM SONNTAG:
http://www.weser-kurier.de/startseite_artikel,-soldaten-sind-keine-hilfspolizisten-_arid,1561758.html
http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-umstrittene-Uebung-von-polizei-und-bundeswehr-_arid,1562183.html

„Entgrenzte Sicherheitspolitik“
Durch gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr wird Einsatz des Militärs im Inland normalisiert. „Junge-Welt“-Gespräch mit Rolf Gössner vom 9.03.2017
https://www.jungewelt.de/artikel/306820.entgrenzte-sicherheitspolitik.html

Rolf Gössner: Geschichtsvergessene Grenzüberschreitung
in: „OSSIETZKY“ – Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft Nr. 6 v. 18.03.2017

Soldaten sind keine Hilfspolizisten

Rolf Gössner über gemeinsame Antiterror-Übungen

Die Bremer Polizei veranstaltet Anfang März in Bremen zusammen mit der Bundeswehr eine gemeinsame Übung – genauer: die Übung eines gemeinsamen Antiterror-Einsatzes im Inland. Das zugrunde liegende Szenario sieht vor, dass es in der Bundesrepublik und speziell in Bremen (Schießerei und Bombenexplosion in Schulen) großflächig zu Terrorangriffen kommt („terroristische Großlage“) und die Kapazitäten der Polizei erschöpft sind. Solche polizeilich-militärischen Übungen werden parallel auch in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein durchgeführt. Auch wenn es sich lediglich um „Stabsrahmenübungen“ handelt, die im öffentlichen Raum kaum wahrnehmbar sind, gibt es dagegen starke Proteste. Warum?

Weil es sich hier um eine verfassungsrechtlich problematische Grenzüberschreitung und eine weitere Militärisierung der „Inneren Sicherheit“ handelt. Im Zuge einer verschärften Antiterrorpolitik seit 9/11 ist es längst zu einem dramatischen Strukturwandel im Staatsgefüge gekommen – überspitzt formuliert: vom demokratischen Rechtsstaat zum präventiven Sicher­heitsstaat. Insgesamt gesehen gibt es jedenfalls eine fatale Tendenz, den Rechtsstaat im Namen von „Sicherheit“ und „Terrorbekämpfung“ radikal umzubauen und die verfassungskräftigen Grenzen nicht nur zwischen Polizei und Geheimdiensten zu schleifen, sondern auch die Grenzen zwischen Innerer Sicherheit und Außenpolitik, zwischen Militär und Polizei – kurz: das Instrumentarium des Ausnahmezustands zu normalisieren und zu schärfen. Zu Lasten von Rechtsstaatlichkeit, wirksamer Machtbegrenzung und demokratischer Kontrolle und damit letztlich auch zu Lasten der Rechtssicherheit im Lande.

Im Mittelpunkt dieses Strukturwandels steht der erweiterte Bundeswehreinsatz im Inland, der in Einzelfällen längst schon Realität ist, aber noch ausgeweitet und abgesichert werden soll, wie etwa dem Weißbuch 2016 zu entnehmen ist. Diese Art entgrenzter Sicherheitspolitik jenseits der Landesverteidigung ist jedoch ziemlich geschichtsvergessen, weil sie unter Missachtung jener wichtigen Lehren aus der deutschen Geschichte vollzogen wird, wonach Polizei und Militär, ihre Aufgaben und Befugnisse strikt zu trennen sind.

Demgegenüber ist klar und deutlich festzuhalten: Innere Sicherheit, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind – auch im Fall von Terroranschlägen – klassische Aufgaben der Polizei und nicht der Bundeswehr. Soldaten sind keine Hilfspolizisten und nicht für polizeiliche Exekutiv-Aufgaben nach dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgebildet, sondern zum Kriegführen und mit Kriegswaffen ausgerüstet; und sie sind auch nicht dazu da, Personalmangel bei der Polizei auszu­gleichen, wie er auch und gerade im Bundesland Bremen herrscht.

Unser Gastautor Dr. Rolf Gössner ist Anwalt, Publizist, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte und Mitherausgeber des „Grundrechte-Reports. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“.

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