Internationale Liga für Menschenrechte

Internetpräsenz der Internationalen Liga für Menschenrechte

Negativpreis BigBrotherAwards 2017 an Bundeswehr/Bundesverteidigungsministerin, Bitkom, Ditib u.a.

Rückblick auf die Verleihung der BigBrotherAwards 2017

Am Freitag, 05. Mai 2016, sind die BigBrotherAwards (BBA) 2017 während einer Gala in Bielefeld unter Anwesenheit des Oberbürgermeisters von Bielefeld, Pit Clausen, und unter Teilnahme zahlreicher weiterer Gäste verliehen worden.

Datenfrevler und Datenkraken fürchten ihn: den BigBrotherAward. Am 5. Mai 2017 hat Digitalcourage mit anderen Organisationen, darunter die Internationale Liga für Menschenrechte, die BigBrotherAwards (BBA) in der Bielefelder Hechelei verliehen. Die Verleihungsgala war mit etwa 400 Gästen wieder gut besucht.

Die BIGBROTHERAWARDS DEUTSCHLAND wurden ins Leben gerufen, um die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern – sie sollen missbräuchlichen Umgang mit Technik und Daten aufzeigen. Seit dem Jahr 2000 werden in Deutschland die BigBrotherAwards an Institutionen, Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen, Datenschutz und Bürgerrechte verletzen, persönliche Daten Dritten zugänglich machen oder Menschen mit digitalen Mitteln in Gefahr bringen. Die BigBrotherAwards sind ein internationales Projekt: In bisher 19 Ländern wurden solch fragwürdigen und bürgerrechtswidrigen Praktiken mit diesen Negativpreisen „ausgezeichnet“. Einmal jährlich werden die bundesdeutschen Datenschutznegativpreise BigBrotherAwards in Bielefeld vergeben.

Die BigBrotherAwards 2017 – auch „Oscars für Datenkraken“ genannt („Le Monde“) – gingen in den Kategorien Arbeit, Behörden, Bildung, Politik, Verbraucherschutz und Wirtschaft an sechs Unternehmen, Institutionen, Organisationen und Personen.

Hier die Preisträger der BigBrotherAwards 2017:

Die Kurzbegründungen finden sich weiter unten, die Laudationes (Langfassungen) unter: https://bigbrotherawards.de/. Die komplette Verleihung kann online nachgeschaut werden unter: https://vimeo.com/216301925.

Publikumspreis für BigBrotherAward-Preisträger Bundeswehr und Verteidigungsministerin von der Leyen

(Laudator: Dr. Rolf Gössner, BBA-Jury, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte)

Aus den sechs Negativpreisen, die zur Auswahl standen, wählte das anwesende Publikum nach der Verleihung einen klaren Gewinner, der besonders „beeindruckt, erstaunt, erschüttert, empört, …“ hatte: Mit einem guten Drittel der Stimmen ging der Publikums-Preis an Bundeswehr und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als deren Oberbefehlshaberin. „Die Bundeswehr und die Bundesministerin für Verteidigung erhielten den BigBrother-Award 2017 in der Kategorie Behörden für die massive digitale Aufrüstung der Bundeswehr mit dem neuen „Kommando Cyber- und Informationsraum“ (KdoCIR). Diese digitale Kampftruppe mit (geplant) fast 14.000 Dienstkräften wird die Bundeswehr fit machen für den Cyberkrieg – auch für militärische Cyberangriffe auf IT-Systeme und kritische Infrastrukturen anderer Staaten. Mit dieser Militarisierung des Internets beteiligt sich die Bundesrepublik am globalen Cyber-Wettrüsten – ohne Parlamentsbeteiligung, ohne demokratische Kontrolle und ohne rechtliche Grundlage„, so die Kurzbegründung der Jury.

Die Laudatio von Rolf Gössner zum Nachlesen (ausführliche Langfassung, pdf) sowie auf https://bigbrotherawards.de/2017/behoerden-bundeswehr-bundesministerin-fuer-verteidigung-dr-ursula-von-leyen.

Die kürzere Sprechfassung wird am 13.05.2017 in der Zweiwochenschrift für Politik/Kultur/Wirtschaft „OSSIETZKY“ (www.ossietzky.net) erscheinen: „Aufrüstung zum Cyberkrieg“.
Video der Laudatio unter: https://vimeo.com/216301925#t=1h25m15s.

Klageandrohung von DİTİB. Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. gegen BigBrotherAwards – „schreckt uns nicht“

Die Verleihung der BigBrotherAwards 2017 schlug schon im Vorfeld hohe Wellen. Preisträger „Ditib. Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“ hatte mit einer Strafanzeige gedroht und kundgetan, dass der Verein diesen Preis auf keinen Fall annehmen wolle (da dürfte er mit den meisten anderen Preisträgern einig sein): Ditib warnte die Veranstalter schriftlich, dass im Falle einer Veröffentlichung der Nominierung und der Preisverleihung eine „Strafbarkeit nach § 186 StGB“ in Betracht kommen würde, also der Straftatbestand der „üblen Nachrede“. Man behalte sich rechtliche Schritte vor.

Die türkisch-islamische Union DİTİB erhielt den BigBrotherAward 2017 in der Kategorie Politik dafür, „dass bei der DİTİB tätige Imame für türkische Behörden und für den Geheimdienst MİT ihre Mitglieder und Besucher ausspioniert und sie so der Verfolgung durch türkisch-staatliche Stellen ausgeliefert haben sollen„, so die Kurzbegründung der Jury (Laudatio von Dr. Thilo Weichert, Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) unter: https://bigbrotherawards.de/2017/politik-ditib). „Spionage verstößt gegen deutsches Strafrecht und ist keine ‚interne Angelegenheit‘. Informationelle Grundrechte gelten nicht nur für Deutsche, sondern für alle. Diese müssen sich in Deutschland angstfrei friedlich religiös und politisch betätigen können„, heißt es in der Preisbegründung.

Die veranstaltende Digitalcourage und die BBA-Jury haben Ditib und die Öffentlichkeit wissen lassen, dass sie sich durch die Androhung juristischer Schritte weder einschüchtern noch zum Schweigen bringen lassen, denn der Preis sei verdient und die Fakten seien gut recherchiert. Selbst wenn dieser Preisträger – der wie alle anderen zur Verleihung eingeladen wurde, aber nicht erschienen ist – mit einer Strafanzeige reagieren sollte: „Wir fechten das durch“, so die Initiatoren. Jedenfalls hat DiTib für gehörigen Wirbel um die Preisverleihung gesorgt und die öffentliche Aufmerksamkeit noch erhöht.

Großes Medienecho

Das Medienecho auf die BigBrotherAward-Verleihung war auch in diesem Jahr wieder sehr groß – Schwerpunkte der Berichterstattung lagen bei Ditib, Bundeswehr und Bitkom. Die meisten großen überregionalen und auch viele regionale Medien – Presse, Hörfunk, Fernsehen und Internet – haben ausführlich und kritisch berichtet. Die gesamte Palette der Medienreaktionen unter: https://digitalcourage.de/blog/2017/bigbrotherawards-2017-in-den-medien.

BBA-Jury und Laudatoren 2017

Die deutsche Jury 2017 zur Verleihung der BigBrotherAwards besteht aus Vertretern unabhängiger Bürgerrechts- und Datenschutz-Organisationen:
Digitalcourage e.V., Chaos Computer Club (CCC), Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) und Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD).
https://www.bigbrotherawards.de/jury

  • Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte
  • padeluun, Digitalcourage
  • Frank Rosengart, Chaos Computer Club
  • Rena Tangens, Digitalcourage
  • Prof. Dr. Peter Wedde, Frankfurt University of Applied Sciences
  • Dr. Thilo Weichert, Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Netzwerk Datenschutzexpertise

ALLE LAUDATIONES 2017 in voller Länge sind einzusehen unter: https://bigbrotherawards.de/.

Video-Aufzeichnung der BBA-Verleihungsgala 2017 in der Bielefelder Hechelei zum Nachschauen in voller Länge mit sämtlichen Laudationes, Musik- und Akrobatikbeiträgen: https://vimeo.com/216301925.

Kurzbegründungen der BigBrotherAwards 2017

Kurzbegründungen der BigBrotherAwards 2017 in den verschiedenen Kategorien (pdf)

Kategorie Behörden – Bundeswehr und Bundesministerin für Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen – Laudator: Dr. Rolf Gössner

Die Bundeswehr und die Bundesministerin für Verteidigung erhalten den BigBrother-Award 2017 in der Kategorie Behörden für die massive digitale Aufrüstung der Bundeswehr mit dem neuen „Kommando Cyber- und Informationsraum“ (KdoCIR). Diese digitale Kampf­truppe mit (geplant) fast 14.000 Dienstkräften wird die Bundeswehr fit machen für den Cyber­krieg – auch für militärische Cyberan­griffe auf IT-Systeme und kritische Infrastrukturen ande­rer Staaten. Mit dieser Militarisierung des Internets beteiligt sich die Bundesrepu­blik am glo­ba­len Cyber-Wett­rüsten – ohne Parlamentsbeteiligung, ohne demokratische Kon­trolle und ohne ­rechtliche Grund­lage.

Kategorie Politik –Türkisch-islamische Union DİTİB – Laudator: Dr. Thilo Weichert

Die türkisch-islamische Union DİTİB erhält den BigBrotherAward 2017 in der Kategorie Politik dafür, dass bei der DİTİB tätige Imame für türkische Behörden und für den Geheimdienst MİT ihre Mitglieder und Besucher ausspioniert und sie so der Verfolgung durch türkisch-staatliche Stellen ausgeliefert haben sollen.

Kategorie Wirtschaft – IT-Branchenverband Bitkom – Laudatorin: Rena Tangens

Der deutsche IT-Branchenverband Bitkom erhält den BigBrotherAward 2017 in der Kate­gorie Wirtschaft für sein unkritisches Promoten von Big Data, seine penetrante Lobbyarbeit gegen Datenschutz und weil er de facto eine Tarnorganisation großer US-Konzerne ist, die bei Bitkom das Sagen haben.

Kategorie Arbeit – PLT Planung für Logistik & Transport GmbH – Laudator: Prof. Dr. Peter Wedde

Die Firma PLT – Planung für Logistik & Transport GmbH erhält den BigBrotherAward 2017 in der Kategorie Arbeit für ihren PLT Personal-Tracker. Dieses Gerät zeigt Arbeitgebern in Echtzeit, wo sich Zeitungsausträger oder Briefträgerinnen befinden und wie schnell sie sich bewegen. Diese Totalkontrolle ist menschenunwürdig und sinnlos.

Kategorie Verbraucherschutz – Prudsys AG – Laudator: padeluun

Die Firma Prudsys AG erhält den BigBrotherAward 2017 in der Kategorie Verbraucher­schutz, weil sie Software anbietet, die Preisdiskriminierung erlaubt. Diese Software legt einen Preis fest, je nachdem, was sie über den jeweiligen Kunden herausfinden kann. Damit zählt nicht mehr, was ein Produkt kostet oder wert ist. So kommt es, dass zwei Menschen unter­schiedliche Preise für die gleiche Ware bezahlen müssen.

Kategorie Bildung –Technische Universität München (TUM) und die Ludwig Maximilians Universität München (LMU) – Laudator: Frank Rosengart

Die Technische Universität München und die Ludwig-Maximilian-Universität München erhalten den BigBrotherAward 2017 in der Kategorie Bildung für die Kooperation mit dem Online-Kurs-Anbieter Coursera. Coursera als Wirtschaftsunternehmen verfügt mit den Daten über den Lernerfolg der Studierenden über einen großen Datenschatz und behält sich vor, diesen auch wirtschaftlich zu nutzen.

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