08. April 2014
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Liga sieht in anlassloser Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat generell eine „schwere Bedrohung von freier Kommunikation und Privatheit, von Berufsgeheimnissen und Pressefreiheit“ und fordert deshalb Verzicht in EU und Bundesrepublik.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute die EU-Richtlinie zur zwangsweisen anlasslosen Massenspeicherung von Telekommunikations- und Standortdatenn auf Vorrat für unverhältnismäßig, grundrechtswidrig und damit für ungültig erklärt. Kernsatz des EuGH-Urteils: Die EU-Richtlinie enthalte „einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt“. Die Maßnahme sei geeignet, „bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist“.
Mit diesem Urteil ist die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, also auch Deutschlands, entfallen, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Doch ganz ist sie damit leider noch nicht vom Tisch. Denn das Gericht hat diese Methode, wie zuvor schon das Bundesverfassungsgericht, nicht generell verworfen: Der massive Eingriff in Grundrechte müsse sich aber auf das „absolut Notwendige“ beschränken. Was darunter zu verstehen ist, darüber wird es – trotz gerichtlich formulierter Kriterien – auch in Zukunft recht unterschiedliche Auffassungen geben.
Damit droht ein erneuter Angriff auf Datenschutz, Datensicherheit, Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung. Denn trotz des NSA-Skandals, in dem die massenhafte Ausspähung, Speicherung und Auswertung von Telekommunikations-Metadaten (Verbindungsdaten) eine große Rolle spielen, plant die Große Koalition ein neues Vorratsdatengesetz – nachdem das Bundesverfassungsgericht das erste Gesetz bereits 2010 aufgrund von über 35.000 Verfassungsbeschwerden für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben hatte.
Liga-Vizepräsident Rolf Gössner, einer der Beschwerdeführer gegen das erste bundesdeutsche Vorratsdatenspeicherungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht, erklärt zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom heutigen Tag: „Zu begrüßen ist, dass der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie heute für unverhältnismäßig und grundrechtswidrig und deshalb für ungültig erklärt hat. Mit diesem Urteil kann eine grundsätzliche Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung begründet und gerechtfertigt werden. Nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs und auf dem Hintergrund der NSA-Affäre ist die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung jedenfalls diskreditiert und kaum noch verfassungskonform umzusetzen.“
Die Internationale Liga für Menschenrechte setzt sich daher zusammen mit vielen anderen Bürgerrechts- und Datenschutzvereinigungen und Berufsverbänden dafür ein,
- dass die Vorratsdatenspeicherung weder auf EU-Ebene noch in der Bundesrepublik wiedereingeführt wird und
- dass die Bevölkerung endlich wirksam vor Massenüberwachung und Digitalspionage und weiteren verfassungswidrigen Attacken geschützt wird.