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Dialog und Hilfe statt Kriminalisierung und Ausgrenzung:
Internationale Liga für Menschenrechte fordert Aufhebung
des Verbots der PKK und Streichung von der EU-Terrorliste
Angesichts der gefährlichen Entwicklungen und Situation im Nahen und Mittleren Osten sowie angesichts des akut gefährdeten türkisch-kurdischen Friedensprozesses fordert die Internationale Liga für Menschenrechte von Bundesregierung und EU ein grundsätzliches politisches Umdenken und Umsteuern hinsichtlich der rechtlichen Bewertung und politischen Behandlung der Kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Deshalb unterstützt die Internationale Liga für Menschenrechte die Forderung einer aktuellen Online-Petition (Text und Adresse s. nächste Seite) an die Bundesregierung,
- das 1993 verhängte, undemokratische Betätigungsverbot für die PKK unverzüglich aufzuheben.
Konsequenterweise fordert die Liga darüber hinaus:
- Einstellung der Verfolgung der PKK als ausländische „terroristische Vereinigung“ nach Paragraph 129b StGB sowie
- Streichung der PKK von der rechtsstaatswidrigen EU-Terrorliste und anderen Terrorlisten.
„Das europaweit einmalige Betätigungsverbot für die PKK in der Bundesrepublik hat in den mehr als zwanzig Jahren seines Bestehens viel Unheil gestiftet“, kritisiert Liga-Vizepräsident Rolf Gössner: „Es hat zu Kriminalisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Tausenden Kurdinnen und Kurden geführt und ihre Grundrechte massiv eingeschränkt.“
Durch das Betätigungsverbot werden die Grundrechte der Organisations- und Versammlungsfreiheit, der Meinungs- und Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Kurd_inn_en sind lange Zeit zu Gewalttätern und ‚Terroristen’ und zu innenpolitischen ‚Feinden‘ gestempelt worden. Unzählige Strafermittlungsverfahren und Verurteilungen nach den berüchtigten Terrorismusparagraphen waren und sind noch die Folge – zum Teil wegen gewaltfreier politischer Betätigung.
Erst angesichts der aktuellen Situation im Nahen/Mittleren Osten gibt es gewisse Anzeichen für ein politisches Umdenken. Doch nicht erst die gegenwärtige Entwicklung in Syrien, Irak sowie auch in der Türkei zeigt, dass das PKK-Verbot zum Anachronismus geworden ist. Die Aufhebung des Verbots ist längst überfällig, denn die PKK hat sich bereits vor vielen Jahren zu einer friedlichen Lösung der Kurden-Frage bekannt. In der Türkei hat sich allmählich ein (wenngleich recht widersprüchlicher) Friedensprozess entwickelt, der gegenwärtig jedoch akut bedroht ist.
Deshalb fordert die Internationale Liga für Menschenrechte zusammen mit zahlreichen anderen Nichtregierungsorganisationen von Bundesregierung und EU mit Nachdruck, die Terror-Stigmatisierung, Feindbildproduktion, Kriminalisierung und Ausgrenzung von Kurden, ihren Organisationen und Medien in Deutschland und der EU endlich zu beenden.
Die Aufhebung des PKK-Verbots und die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste können sich in der aktuell zugespitzten Situation positiv auf den türkisch-kurdischen Friedensprozess auswirken, in dem der PKK eine nicht zu unterschätzende Rolle zukommt. Deshalb tragen EU und Bundesrepublik eine besondere Verantwortung für die weitere Entwicklung dieses Prozesses. Und deshalb fordert die Internationale Liga für Menschenrechte, die Kurden- und Minderheitenfrage in der Türkei unter Beteiligung kurdischer Vertreter unverzüglich und mit Nachdruck auf die Agenda der EU-Beitrittsverhandlungen zu setzen. Damit könnte – trotz aller Rückschläge – eine demokratische, menschenrechtskonforme und gerechte Lösung in der Türkei vorangebracht werden. Kurd_inn_en haben sich als stabilisierende und auch demokratische Kräfte im Nahen/Mittleren Osten erwiesen. Die kurdische – und die Menschenrechtsfrage sind schließlich von höchster Bedeutung für einen möglichen Beitritt der Türkei in die EU.
Hier die Petition, deren Forderung die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt
und die im Netz online über folgenden Link unterzeichnet werden kann:
https://www.openpetition.de/petition/online/heben-sie-bitte-das-pkk-verbot-auf
>Heben Sie bitte das PKK-Verbot auf!
Die syrisch-kurdische Stadt Kobane steht kurz davor, in die Hände des barbarischen „Islamischen Staates“ zu fallen, weil die türkische Regierung sich weigert, freiwillige kurdische Kämpfer aus Kobane, die ihre Familien über die Grenze in Sicherheit gebracht haben, nach Kobane zurückkehren zu lassen. Es droht ein Massaker, und in der Türkei selbst könnte der mühsam in Gang gekommene türkisch-kurdische Friedensprozess einem Bürgerkrieg Platz machen.
Angesichts dieser gefährlichen Entwicklung appellieren wir an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Heben Sie das Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) auf. Dadurch würde Deutschland dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unmissverständlich nahe legen, die Friedensgespräche mit der PKK fortzusetzen und den Widerstand des der PKK nahestehenden Volksverteidigungskomitees in Kobane nicht länger zu blockieren. Zudem wäre die Aufhebung des PKK-Verbots die logische Konsequenz der Entwicklung in der Kurdischen Arbeiterpartei. Denn sie hat ihre undemokratischen Strukturen längst ebenso hinter sich gelassen wie ihre separatistischen Ziele. Die großen friedlichen Demonstrationen der PKK-Anhänger in den letzen Tagen in zahlreichen deutschen Städten stellten diesen Perspektivwandel unter Beweis.
Die PKK verfolgt das Ziel einer autonom und demokratisch aufgebauten Verwaltung innerhalb des türkischen Staatsverbandes. Das ihr nahe stehende Volksverteidigungskomitee YPG in den drei syrischen Kantonen Rojava hat in den letzten zwei Jahren für eine solche Verwaltungsstruktur die Grundlage geschaffen. Nach Überzeugung vieler Wissenschaftler und zivilgesellschafticher Experten, die übereinstimmend mit großem Respekt über das Zusammenleben von kurdischen Moslems, Christen, Assyrern, Arabern in Rojava berichten, entsteht dort ein friedens- und entwicklungspolitisches Modell für viele Teile der Region. Kurden aus Rojava waren es auch, die im September die kurdischen Jesiden in Sindschar (Nordirak) vor einem Völkermord bewahrt haben. Sie sind es auch, die Dank ihres beeindruckenden Rückhaltes in der eigenen Bevölkerung trotz hoffnungsloser militärischer Unterlegenheit den Sieg der IS-Mörderbanden in Kobane bisher verhindert haben.
Frau Bundeskanzlerin, handeln Sie sofort!<
Unterzeichner u.a.: Reiner Braun, Prof. Dr. Andreas Buro, Dr. Rolf Gössner, Prof. Dr. Ulrich Gottstein, Prof. Dr. Mohssen Massarrat, Prof. Dr. Norman Paech, Prof. Dr. Werner Ruf, Eckart Spoo, Dr. Peter Strutynski, Laura von Wimmersperg…
Es sollen möglichst viele Unterschriften gesammelt werden. Die Petition wird dann an das Bundeskanzleramt übergeben.
https://www.openpetition.de/petition/online/heben-sie-bitte-das-pkk-verbot-auf