Berlin, 17.09.2013
Bekanntmachung: In eigener, die Grundrechte und die Demokratie in Deutschland nach 1945 betreffender Sache:
Zutiefst besorgt und erfüllt mit Abscheu gibt die Ligavorstand bekannt:
Mouctar Bah, Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009 und Ehrenmitglied der Liga wird in jüngster Zeit von Unbekannten massiv bedrängt. Er muss um sein Leben und das seiner Familie fürchten.
Am 2. September d. J. wurde das Schaufenster seiner Arbeitsstätte in Dessau eingeschlagen und ein Teil der Einrichtung zerstört.
Am 14. September d. J. war er mehrmals telefonischen Morddrohungen ausgesetzt.
Mouctar Bah ist aufgrund seiner Zivilcourage und Unbeirrbarkeit im Einsatz um die rückhaltlose Aufklärung der Umstände, die am 7. Januar 2005 zum Tode Oury Jalloh in der Zelle des Polizeireviers Dessau-Rosslau führten, weit über Sachsen-Anhalt hinaus bekannt. Er wird für sein besonnenes, unermüdliches Engagement gegen jede Form von Rassismus und Ausgrenzung in der Bundesrepublik Deutschland allenthalben gewürdigt.
Vorbehaltlich der Aufklärung der Übergriffe auf Mouctar Bah mahnt die Liga vor dem Hintergrund erniedrigender Beleidigungen und körperlicher Gewalthandlungen durch Nazis und Rechtspopulisten, denen Bah und mithin die meisten „People of Color“ hierzulande auf offener Straße und anderen öffentlichen Einrichtungen immer wieder ausgesetzt sind, gesellschaftspolitische Zustände an, in denen rassistisch motivierte Ausgrenzung und Gewalt zum Alltag gehören. Die Täter bleiben in den meisten Fällen „unerkannt“ und somit straffrei. Insbesondere wird rassistische Kriminalität auch institutionell, etwa auf Seiten der Polizei und/oder Justiz allzu häufig bagatellisiert, ausgeblendet und von Fall zu Fall willentlich toleriert. Davon zeugen die langjährigen Erfahrungen Mouctar Bahs sowie anderer Mitglieder der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“. Dies besagt auch der Bericht des parlamentarischen NSU-Ausschusses.
Am 17. d. M. erstattete Herr Bah eine Anzeige wegen der Morddrohungen bei der Polizei.
Der Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte verurteilt die genannten Übergriffe. Die Liga fordert die Staatsanwaltschaft auf, umgehend Ermittlungen einzuleiten. Die politisch Verantwortlichen werden zur erhöhten Umsicht aufgerufen: Es müssen alle nötigen Vorkehrungen getroffen werden, um die körperliche Unversehrtheit von Mouctar Bah sowie seiner Familie zu garantieren und weiterer Schaden von seinem Eigentum abzuwenden.
Es folgt ein von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh publiziertes Interview, das Herr Komi E. (KE) am Tag des Telefonats mit Mouctar Bah (MB) führte:
KE: Hallo Mouctar, wir haben heute mitbekommen, dass du heute eine telefonische Morddrohung bekommen hast?
MB: Ja, mich hat heute eine unbekannte Person um 15.02 Uhr angerufen. Ich hörte nur “Motherfucker,… ich bringe dich um und bringe auch deine Kinder um”. Danach, um 15.07 Uhr, rief dieselbe unbekannte Person wieder an und sagte dieselben Worte. Ich habe Nadine das Telefon gegeben. “Hör mal”, sagte ich. Sie hörte genau dasselbe wie ich: “Motherfucker, ich bringe dich um.”
KE: Was für eine Stimme hast du gehört, Mann oder Frau?
MB: Das war eine Frauenstimme mit vielen Kindern im Hintergrund.
KE: Was denkst du, woher haben sie deine Nummer?
MB: Die steht jetzt im Internet auf unserer Webseite.
KE: Weißt du, wer hinter der Sache stecken könnte? Letzte Woche gab es in Dessau auf das Internetcafé einen Anschlag. Die Schaufensterscheibe wurde eingeschlagen und jetzt eine Morddrohung.
MB: Ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht, ich möchte nicht spekulieren.
KE: Bist du vorher bedroht worden?
MB: Meinst du telefonisch? Nein, aber Rechtsradikale haben mich zusammengeschlagen.
KE: Hast du Anzeige erstattet wegen der Morddrohung?
MB: Nein.
KE: Warum nicht?
MB: Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren sowieso einstellen wird.
KE: Hast du keine Angst um dein Leben?
MB: Ich, nein. Angst zu haben gehört nicht zu unserer Arbeit, sonst müsste ich sofort aufhören.
KE: Danke, Mouctar.
MB: Ich danke Dir Komi.