Internationale Liga für Menschenrechte

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OFFENER BRIEF IALANA + ILMR + IPPNW

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Of Lawyers Against Nuclear Arms (Deutsche Sektion)

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(AEDH&FIDH Deutsche Sektion)

International Physicians

for the Prevention of Nuclear War

(Deutsche Sektion)

Freie Ausreise für Mordechai Vanunu


zur persönlichen Teilnahme am Festakt der Verleihung

der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2010 am 12. Dezember d. J. in Berlin

OFFENER BRIEF

an den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu,

an den israelischen Innenminister Eli Jishai

an den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak

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Sehr geehrter Herr Premierminister Netanjahu,

sehr geehrter Herr Innenminister Jishai,

sehr geehrter Herr Verteidigungsminister Barak,

wir, die Unterzeichnenden, nehmen die Auszeichnung Mordechai Vanunus mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2010 zum Anlass, an Sie zu appellieren: Gewähren Sie dieser herausragenden Persönlichkeit ihres Landes, die eindringlich vor den Gefahren der atomaren Aufrüstung gewarnt hat, freie Ausreise aus Israel, um ihr die Teilnahme am Festakt der feierlichen Medaillenverleihung am 12. Dezember in Berlin zu ermöglichen.

Der internationalen Öffentlichkeit wurde Mordechai Vanunu 1985 bekannt, nachdem er einer Londoner Zeitung Informationsmaterial über das israelische Negev-Kernforschungszentrum überlassen hatte. Am 27. März 1988 verurteilte ihn ein israelisches Strafgericht in erster Instanz zu einer 18-jährigen Freiheitsstrafe wegen „Unterstützung des Feindes in Kriegszeiten“ sowie „Sammlung und Weitergabe geheimer Informationen in der Absicht, der Sicherheit des Staates Israel zu schaden“. Die gegen das Urteil eingelegten Rechtsmittel wies der Oberste Gerichthof ab. Dabei hatten Zeitzeugen darunter britische und US-amerikanische Atomwaffenexperten übereinstimmend festgestellt, dass das Wissen des Verurteilten nicht ausgereicht hätte, um eine Gefahr für die Sicherheit Israels darzustellen.

Am 24. April 2004 wurde Mordechai Vanunu nach vollständiger Verbüßung der Strafe davon 11 Jahre verschärfter Vollzug durch vollständige Isolation aus der Haft entlassen. Die seinerzeit gerichtlich festgesetzten, im Laufe der Jahre wiederholt verlängerten Auflagen beinhalten u. a. das strikte Verbot, Israel zu verlassen und schränken seine Bewegungs- und Meinungsfreiheit auch innerhalb Israels erheblich ein. Noch am 11. Oktober d. J. wurden die genannten Auflagen vom Obersten Gerichtshof Israels bestätigt. Das Vorbringen der Verteidiger, dass das Wissen Mordechai Vanunus aufgrund der vielen, seit seiner Entlassung aus dem Kernforschungszentrum 1985 verstrichenen Jahre veraltet sei und daher für die Sicherheit Israels keine Gefahr mehr darstelle, wiesen dieRichterinnen zurück. Zur Begründung der Aufrechterhaltung des Ausreiseverbots gaben sie im Urteilsspruch vom 13. Oktober 2010 an, er verfüge weiterhin über bisher nicht bekannt gewordenes, sicherheitsrelevantes Geheimwissen, das er im Ausland werde preisgeben können und wollen.

Wir erlauben uns daran zu erinnern, dass der vormalige Ministerpräsident Ihres Landes, Ehud Olmert, im Rahmen seines Besuchs in Deutschland bereits Ende 2006 einräumte, dass Israel Kernwaffen besitze.

Mordechai Vanunu betont bis zum heutigen Tage, es hätte ihm fern gelegen, Israel zu schaden. Vielmehr habe er aus Sorge angesichts der Gefahren gehandelt, die von künstlich erzeugtem und zum Bau von Atomwaffen aufbereitetem Plutonium auch für die Bevölkerung Israels ausgehen. Diese Sorge teilen seit den Atombombenabwürfen überHiroshima und Nagasaki Millionen Menschen auf der Erde. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sowie angesichts zunehmender Spannungen in Regionen, in denen ein atomarer Krieg wegen fehlender Kontrolle oder als Kurzschlusshandlung nicht auszuschließen ist, haben sich führende Staatsmänner in jüngster Zeit wiederholt für die vollständige atomare Abrüstung ausgesprochen und als ersten Schritt in diese Richtung konkret die Schaffung regionaler Kernwaffen-freier Zonen angekündigt.

Die Gründe, die die Unterzeichnenden bewogen, sich anlässlich der Auszeichnung von Mordechai Vanunu mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille mit dem vorliegenden Brief an Sie zu wenden, gehen über friedenspolitische Anliegen hinaus.

Uns ist kein Fall aus anderen demokratischen Staaten bekannt, in dem auch nach vollständiger Verbüßung einer mit 18 Jahren äußerst hoch bemessenen Freiheitsstrafe gerichtlich Auflagen von so weitreichender Beschneidung der Grundrechte angeordnet werden, dass sie einer gestaffelten Strafverlängerung gleichkommen. Wir halten es für unverzichtbar, dass in einem demokratischen Rechtsstaat eine vollständig verbüßte Strafe zur Wiedereinsetzung aller Zivilrechte und politischen Freiheiten für den betroffenen Bürger führen muss. Der Internationale Vertrag über bürgerliche und politische Rechte schreibt in Art. 12 das individuelle Recht zur Ein- und Ausreise in jedes Land – einschließlich das eigene – als Grundfreiheit fest. In Art. 14 Abs. (7) heißt es überdies: „Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden.“

Wir, die Unterzeichnenden appellieren eindringlich an Sie, unser Vorbringen in allen Punkten wohlwollend zu bedenken und unserem Anliegen nachzukommen, Mordechai Vanunu die Ausreise aus Israel zu gestatten. Gewähren Sie Mordechai Vanunu die Möglichkeit, die Einladung der Internationalen Liga für Menschenrechte anzunehmen und sich vom 10. bis zum 17. Dezember als deren Gast in Berlin aufzuhalten, um am 12. Dezember 2010 persönlich dem Festakt zur Verleihung der Carl-von Ossietzky-Medaille 2010 beizuwohnen.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Für eine baldige Erwiderung wären wir Ihnen verbunden.

Hochachtungsvoll

Rechtsanwalt Otto Jäckel Vorsitzender International Association of Lawyers Against Nuclear Arms – Germany

Prof. Dr. Fanny-M. ReisinPräsidentin International League for Human Rights – Germany

Dr. med Angelika Claußen Vorsitzende International Physician for the Prevention of Nuclear War – Germany

Erstunterzeichner: Mairead Corrigan-Maguire, Friedensnobelpreis 1979, Carl-von-Ossietzky-Medaille 1976; Hans-Peter Dürr, Physiker, Alternativer Nobelpreis 1987; Daniel Ellsberg, US-amerikanischer Autor und Friedensaktivist, Alternativer Nobelreis 2006, Whistleblower-Preis 2003 (IALANA Deutschland und VDW); Johan Galtung, norwegischer Friedensforscher, Gründer des internationalen TRANSCEND-Netzwerks für Frieden, Alternativer Nobelpreis 1987, Ghandi Prize 1993; Günter Grass, Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker, Literaturnobelpreis 1999, Carl-von-Ossietzky-Medaille 1967; Fredrik S. Heffermehl, norwegischer Jurist, Autor und Friedensaktivist; Stéphane Hessel, französischer Widerstandskämpfer, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, Diplomat und Lyriker, Mitunterzeichner der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1948;Ronnie Kasrils, südafrikanischer Politiker, 2004-2008 Minister der Nachrichtendienste Südafrikas Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees des ANC; Harold (Harry) W. Kroto, britischer Chemiker, Nobelpreis für Chemie 1996, Felicia Langer, israelische Rechtanwältin, Autorin, Alternativer Nobelpreis 1990, Bruno Kreisky Preis 1991; Volker Ludwig, Dramatiker, Leiter des GRIPS Theaters Berlin, Verdienstorden des Landes Berlin 2007, Carl-von-Ossietzky-Medaille 1994; Michael Mansfield, britischer Kronanwalt (QC), English barrister; Cynthia Ann McKinney US-amerikanische Politikerin, ehem. Mitglied des Kongresses und des Repräsentantenhauses, 2008 Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei; Luisa Morgantini, italienische Politikerin und Aktivistin, ehem. Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments; Horst-Eberhard Richter, Psychoanalytiker, Sozialphilosoph, Ehrenvorstandsmitglied IPPNW, Urania Medaille 1993, Paracelsus Medaille 2008; Jack Steinberger, Physiker, Nobelpreis für Physik 1988; Ernst Ulrich von Weizsäcker, Naturwissenschaftler, Deutscher Umweltpreis 2008