Vor drei Jahren ist der Asylbewerber Oury Jalloh nach gewaltsamer Fixierung an allen Gliedmaßen in einer Dessauer Polizeizelle qualvoll verbrannt. Bis heute ist dieser tragische Tod eines Flüchtlings in Polizeigewahrsam nicht aufgeklärt – der Prozess gegen zwei Polizeibeamte wird demnächst fortgesetzt.
Die gerichtliche Aufarbeitung dieses international Aufsehen erregenden Falles wird nach wie vor von Bürgerrechtsgruppen beobachtet. Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner beobachtet den Prozess für die „Internationale Liga für Menschenrechte“ und zugleich im Namen der Flüchtlingsorganisation PRO ASYL.
Oury Jalloh, ein 36jähriger Bürgerkriegsflüchtling aus Sierra Leone, musste vor drei Jahren in einer deutschen Polizeizelle einen schrecklichen Tod erleiden. Eine mutmaßlich überflüssige Identitätsfeststellung, ein unverhältnismäßiger Polizeigewahrsam, eine unmenschliche und lebensgefährliche Totalfixierung an Händen und Füßen, eine höchst nachlässige Beaufsichtigung und verzögerte Reaktionen auf den Feueralarm wurden ihm zum tödlichen Verhängnis. Weshalb, so fragen sich Prozessbeobachter, wurde ein stark alkoholisierter Migrant wegen einer nichtigen Auffälligkeit von den Dessauer Polizisten so behandelt? Weil er sich gegen diese Behandlung wehrte? Weil er schwarz und fremd war? Was ist wirklich passiert? Wer trägt Schuld an diesem Tod? War es ein Unglücksfall, war es „Selbstmord“, der hätte verhindert werden können, wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht, oder gar „rassistisch motivierter Mord“, wie einige antirassistische Gruppen argwöhnen? Fragen, die nach so langer Zeit – u.a. wegen anfänglicher Verfahrensverschleppung – möglicherweise nie vollständig beantwortet werden können.
Seit Ende März letzten Jahres bemüht sich das Landgericht Dessau unter Vorsitz von Richter Manfred Steinhoff mit einigem Nachdruck, Licht in diese Tragödie zu bringen. Angeklagt sind zwei Polizeibeamte, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, für den Verbrennungstod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Polizeigewahrsam verantwortlich zu sein. Im neuen Jahr setzt das Gericht den Prozess fort und zwar ab 21.01. bis mindestens Mitte März 2008. Nach bislang 35 Verhandlungstagen sollen eine ganze Reihe weiterer Zeugen und Sachverständiger befragt werden. Erwartet werden etwa Zeugenaussagen zum Brandschutt und zu dem ominösen Feuerzeug aus Jallohs rund herum gekachelter Todeszelle, mit dem er in gefesseltem Zustand eine feuerfeste Matratze in Brand gesteckt haben soll.
„Dieses Verfahren hat sich zu einem Mammutprozess ausgewachsen und erlebt nun seine letzte ent-scheidende Phase“, konstatiert Liga-Präsident Rolf Gössner: „Dieser Fall eines unglaublichen Polizeiskandals und seine justizielle Aufarbeitung strotzen nur so vor Ungereimtheiten und Schlampereien, Gedächtnislücken und Lügen, Widersprüchen und Vertuschungen, verschwundenen oder gelöschten Beweisstücken und unterlassenen Ermittlungen.“ Trotz aller widrigen Umstände geben sich Gericht, Staatsanwaltschaft und die Nebenklage-Vertreter erhebliche Mühe, diesen Fall dennoch aufzuklären. „Ob die Aufklärung gelingen wird, ist noch nicht ersichtlich“.