Veranstaltung mit Rolf Gössner
Thema:
Das Antiterrorsystem (§§ 129a, b StGB) / Vom Antiterrorkampf zur Widerstandsbekämpfung? Die politische Dimension des Sonderrechtssystems um die §§ 129a/b StGB
Veranstaltungsort:
Konsul-Hackfeld-Haus, Bremen, Birkenstraße 34
Uhrzeit:
19:30 Uhr
Veranstalter:
Bremer Friedensforum
Die vielfältigen Proteste gegen den G-8-Gipfel 2007 standen von Anfang an unter einem ungeheuerlichen Terrorverdacht. Die Bundesanwaltschaft als oberste Anklagebehörde schürte diesen Verdacht mit zahlreichen Präventions- und Repressionsmaßnahmen, die sich auf den berühmt-berüchtigten § 129a Strafgesetzbuch stützten: bundesweite Razzien und Durchsuchungen von über 40 Wohnungen, Büros, Buchhandlungen und Internetservern; heimliche Ausforschung von angeblichen Terror-Verdächtigen, von Journalisten und Anwälten per Observation, Telefonüberwachung und Großem Lauschangriff mit elektronischen Wanzen; systematische Briefkontrollen und Postbeschlagnahmen sowie dieAufnahme von Körpergeruchsproben zur Identifizierung verdächtiger Gipfelgegner. Und Gipfel der Verdächtigungen: Einzelne Wissenschaftler wurden einer Art intellektueller Täterschaft bezichtigt, enthielten ihre Publikationen doch Begriffe, die man auch in Bekennerschreiben einer militanten Gruppe lesen konnte. All diese Maßnahmen und Kriminalisierungskonstrukte trugen Züge eines nicht erklärten Ausnahmezustands und spotteten jeder Verhältnismäßigkeit was im Nachhinein auch die Gerichte bestätigten.
Schon in den 1980er Jahren witterten die bundesdeutschen Ermittlungsbehörden innerhalb der damals stärker und militanter werdenden politisch-sozialen Bewegungen gegen gefährliche Staats- und Industrie-Projekte eine neue, „unübersichtliche“ und unberechenbare „terroristische Gefahr‚“. Tausende von Menschen und zahlreiche oppositionelle Initiativen der Anti-Atom-, Friedens- und Anti-Gentechnologie-Bewegung, aber auch der Häuserkampf- und Tierschützer-Bewegung sind damals in die staatliche Antiterror-Maschinerie geraten und zu Objekten des Staatschutzes geworden.
Anhand von zahlreichen Beispielen wird Rolf Gössner aufzeigen, wie das in den 70er Jahren aufgebaute Antiterror-Sonderrechtssystem angewandt und im Laufe der Jahrzehnte ausgebaut wurde. Der ausgedehnte staatliche Antiterrorkampf hat sich immer wieder als präventive Vorfeld-Ausforschung und als Widerstandsbekämpfung entpuppt, die sich weit hinein in die demokratische Linke auswirkten, weit hinein in die sozialen und politischen Protestbewegungen jener Zeit. Rolf Gössner wird auch auf die neuere Entwicklung des Antiterrorsystems nach dem 11.09.2001 eingehen sowie die Pläne zur weiteren Aufrüstung des präventiven Sicherheitsstaates vorstellen – mitsamt ihren fatalen Auswirkungen auf Bürger- und Freiheitsrechte sowie auf Grundprinzipien der Demokratie.
Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Publizist und Vizepräsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, seit 2007 Mitglied und stellv. Sprecher der Deputation für Inneres in der Bremer Bürgerschaft. Mitglied der Jury zur Verleihung des Negativpreises „BigBrotherAward“ sowie Mitherausgeber des jährlich erscheinenden „Grundrechte-Reports Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“, der kürzlich mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet wurde. Autor zahlreicher Bücher zu „Innerer Sicherheit“ und Bürgerrechten, zuletzt: Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der „Heimatfront „, Hamburg 2007.