Internationale Liga für Menschenrechte

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„Verfassungsrechtlich kaum zu rechtfertigen“ – Der Lehrer Michael Csaszkóczy durfte 20 Jahre lang vom Geheimdienst beobachtet werden. Gespräch mit Rolf Gössner

Interview: Markus Bernhardt

jW: Im Prozess, den der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy gegen das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz führte, hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) Mitte Juni seine Urteilsbegründung veröffentlicht. Die mehr als zwanzig Jahre andauernde geheimdienstliche Überwachung Csaszkóczys sei rechtens, unter anderem weil er sich im Bundesvorstand der linken Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e. V. (RH) engagiert habe. Wie bewerten Sie das Urteil?

Rolf Gössner: Das Urteil enttäuscht, weil es die Langzeitbeobachtung von Michael Csaszkóczy für rechtmäßig erklärt – und damit dem Verfassungsschutz auch einen Freibrief zur weiteren Überwachung ausstellt. Begründet wird dies mit seiner Mitgliedschaft und seinen Funktionen in der RH sowie in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, AIHD. Bei beiden Gruppen lägen ausreichende »tatsächliche Anhaltspunkte« für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, womit das Gericht die Wertungen des Geheimdienstes übernimmt. Solche Anhaltspunkte reichen laut Verfassungsschutzgesetz für eine Beobachtung aus. Und damit dürfen auch deren Funktionsträger beobachtet werden. Das steht aber in krassem Widerspruch zum Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, der im Berufsverbotsverfahren von Michael Csaszkóczy schon vor Jahren festgestellt hatte, dass er selbst keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolge und daher das gegen ihn verhängte Berufsverbot grundrechtswidrig sei.

Fortsetzung des jW-Interviews mit Rolf Gössner zum Download (pdf) sowie unter: https://www.jungewelt.de/2016/07-29/013.php

Hintergrund:

Breite Unterstützung

Mehr als 280 Menschen haben sich im Rahmen einer Erklärung mit Michael Csaszkóczy solidarisiert und zahlreiche Organisationen, unter ihnen die Internationale Liga für Menschenrechte, unterstützen die Erklärung. Der Heidelberger Lehrer wird seit nunmehr 25 Jahren wegen seines antifaschistischen Engagements vom sogenannten Verfassungsschutz überwacht und war jahrelang mit Berufsverbot belegt, obwohl der Verwaltungsgerichtshof Mannheim und das Kultusministerium Baden-Württem­berg bereits im Jahr 2007 eingestehen mussten, dass keinerlei Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehen.

Unter den Unterzeichnern der Solidaritätserklärung finden sich verschiedene Gemeinderäte aus der Region von der Linkspartei bis hin zur CDU, aber auch zahlreiche Gewerkschafter, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Wissenschaftler und Kulturschaffende. So beispielsweise die Schriftstellerin Daniela Dahn, die ehemalige Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel, der Soziologe Dario Azzellini und der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele. Auch viele Linke, die früher selbst Opfer von Berufsverboten, staatlicher Repression und Überwachung wurden, haben sich der Erklärung für Csaszkóczy angeschlossen.

„Von einem Geheimdienst, der immer noch nicht bereit ist, seine Verstrickungen mit dem NSU offenzulegen, der fremdenfeindlichen Organisationen wie AfD und Pegida beharrlich Persilscheine ausstellt und statt dessen antifaschistisches Engagement kriminalisiert, werden wir uns nicht vorschreiben lassen, mit wem wir politisch zusammenarbeiten und mit wem wir solidarisch sind“, stellen die Unterzeichnenden darin unter anderem klar.

Erst vor knapp zwei Wochen hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe die gegen Csaszkóczy gerichtete Schnüffelpraxis der Schlapphüte sowie das Unter-Verschluss-Halten der gesammelten Daten für rechtens bestätigt und die Urteilsbegründung zugestellt. Damit der Geheimdienst gegenüber der Wahrnehmung von Bürgerrechten abgeschirmt bleibt, dürfe Csaszkóczy keinesfalls alle über ihn gesammelten Daten sehen. Er könne aber nicht die Löschung von Daten verlangen, die er nicht genau benennen könne, hieß es seitens des Gerichts (jW berichtete). Unter diesen Bedingungen sei es jedoch unmöglich, ein rechtsstaatliches Verfahren gegen den Inlandsgeheimdienst zu führen, konstatierte das Solidaritätskomitee für Csaszkóczy. Die Solidaritätserklärung kann noch immer unterzeichnet werden. Sie findet sich mit diversen Hintergrundmaterialien zu dem besagten Fall auf der Internetseite www.gegen-berufsverbote.de.

Die Erklärung sowie die unterzeichnenden Personen und Organisationen finden sich zum Download (pdf) sowie unter: http://www.gegen-berufsverbote.de/index-vs.php

 

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Ausgabe vom 29.07.2016, Seite 3 / Schwerpunkt
https://www.jungewelt.de/2016/07-29/013.php

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